Am Ostersonntag reist Bundespräsident Ignazio Cassis (61) nach Japan. Auf der viertägigen Reise geht es angesichts des Ukraine-Kriegs nach Informationen des Aussendepartements insbesondere um die sicherheitspolitischen Herausforderungen in Europa und Asien. Weitere Themen seien die Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, Investitionen, Wissenschaft und Digitalisierung.
Geht es nach Roger Mottini, müsste noch dringend ein weiterer Punkt aufs Programm: das Schindluder, das in Japan mit dem Schweizerkreuz getrieben wird!
«Respekt sieht anders aus»
Mottini ist ein in Tokio lebender Schweizer Staatswissenschaftler, und im letzten Jahr ist ihm etwas aufgefallen: «In Tokio dient das Schweizerkreuz – zusammen mit einem weissen Herzchen – dazu, Park- und Sitzplätze für Behinderte zu markieren. Respekt sieht anders aus.» Mit diesen Worten wandte sich der gebürtige St. Moritzer diese Woche an die Redaktion der «NZZ», wie diese berichtet.
Tatsächlich lassen sich Bilder aus japanischen Zügen finden, auf denen rote Aufkleber mit weissem Kreuz und weissem Herzen zu sehen sind. Darunter der Hinweis: «Bitte bieten Sie Passagieren mit medizinischen Problemen Ihren Platz an.»
Der Schweiz sind die Hände gebunden
Für Mottini ist der Fall klar: Das ist ein Missbrauch des Schweizerkreuzes, «geradezu beleidigend für die Schweiz!». Nachdem eine Beschwerde bei den Tokioter Behörden unbeantwortet blieb, wandte er sich im Sommer an den damaligen Bundespräsidenten Guy Parmelin (62) und Aussenminister Cassis.
Er bekam eine Antwort – aber keine erfreuliche. Andreas Baum, Schweizer Botschafter in Japan, schreibt gemäss «NZZ», dass er die Frage beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum habe abklären lassen. Doch leider seien die Swissness-Kriterien nicht verletzt: Es handle sich nicht um eine kommerzielle Verwendung des Schweizerkreuzes. Somit entstehe auch kein kommerzieller Schaden für Schweizer Geschäftsinteressen. Kurzum: Der offiziellen Schweiz seien die Hände gebunden, bescheidet der Botschafter.
Auch Aussenpolitiker schweigen
Mottini lässt sich nicht entmutigen und wendet sich an die Aussenpolitische Kommission des Nationalrats. Er beklagt, dass «unsere Diplomatie nur an kommerziellen Fragen interessiert» sei und dem «ideellen Wert unseres Staatssymbols offenbar nichts abgewinnen» könne.
Ebensowenig wie die Aussenpolitiker, möchte man hinzufügen – denn auch von der Kommission erhält Mottini keine Antwort. Worauf er sich, als letzte Hoffnung, Anfang April nochmal an Cassis wendet, der jetzt selbst Bundespräsident ist und nun eben nach Japan reist. Mottini bittet ihn: «Ein freundlicher, aber bestimmter Hinweis von Ihnen an Premierminister Fumio Kishida würde von diesem sicherlich als Handlungsanweisung verstanden werden.»
«Respekt verdient nur, wer ihn einfordert»
In seiner Reiseankündigung schwärmt das Aussendepartment von der schweizerisch-japanischen Freundschaft. Die beiden Länder verbänden ausgezeichnete Beziehungen und die gemeinsamen Werte der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und einer regelbasierten Weltordnung.
«Sicher», so zitiert die «NZZ» aus Mottinis Brief an Cassis, «die Schweiz geniesst grosse Sympathie in Japan.» Doch der Japan-Kenner weist auch auf einen wichtigen Umstand hin: «Respekt verdient auch hier nur derjenige, der ihn einfordert!» (sf)