Mitten im US-Wahltrubel steht auch ein Schweizer: FDP-Ständerat Josef Dittli (63) verfolgt als einer von rund 100 Wahlbeobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die US-Präsidentschaftswahl zwischen Donald Trump (74) und Joe Biden (77) . Für BLICK zieht Dittli – nach einer kurzen Nacht in Washington – ein erstes Fazit.
BLICK: Herr Dittli, wie haben Sie den Wahltag verfolgt?
Josef Dittli: Ich habe acht Wahlstationen besucht. Dort ging alles reibungslos über die Bühne.
Gilt das für das ganze Land?
Nein, hier in der Nähe des Weissen Hauses, wo ich mich zurzeit befinde, herrscht ein ganz anderes Klima. Alle Schaufenster sind mit Brettern zugenagelt. Vor dem Weissen Haus haben sich in der Nacht viele Menschen versammelt. Es kam vereinzelt zu Ausschreitungen.
Das klingt nicht gut.
Ich bin mir fast sicher, dass es jetzt, wo das Rennen so knapp ist und Trump noch Öl ins Feuer giesst, zu härteren Demonstrationen und Ausschreitungen kommen wird. Möglicherweise bereits heute oder in den nächsten Tagen.
Donald Trump erklärt sich zum Sieger, obwohl das Resultat noch gar nicht feststeht. Er will die weitere Auszählung der Stimmen stoppen. Das erinnert eher an eine Diktatur als an eine Demokratie.
Es ist einfach typisch Trump! Er spielt mit allen, obwohl er weiss, dass er gar keine Kompetenz hat, einen Wahlabbruch zu verhängen. Wir haben damit gerechnet, dass es zu rechtlichen Verfahren kommt. Aber hier giesst Trump gewaltig Öl ins Feuer.
Wieso liegt immer noch kein Wahlresultat vor?
Das Rennen um die Wahlmänner, die Trump und Biden für sich gewinnen müssen, ist wider Erwarten sehr knapp. Wir wussten zudem schon im Vorfeld, dass die Auszählung in gewissen Staaten, etwa in Pennsylvania, länger dauern würde. Insbesondere auch wegen der vielen brieflichen Stimmen, die eingegangen sind.
Wann wissen wir denn, wer der neue US-Präsident ist?
Ich nehme an, dass die Auszählung der Stimmen im Verlauf des Tages grösstenteils abgeschlossen sein wird. Allerdings ist es so, dass die brieflichen Stimmen in gewissen Bundesstaaten erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgezählt sein müssen. Und wenn es in den hart umkämpften Staaten nur um ein paar wenige Stimmen gehen sollte, kann es schon noch zwei bis drei Tage dauern, bis der Sieger feststeht.
Wie wahrscheinlich ist es, dass es zu einem Rechtsstreit kommt – und sich der Prozess noch über Wochen hinzieht?
Ich bin mir sicher, dass es einen Rechtsstreit geben wird. Denn es ist sehr wahrscheinlich, dass die Resultate in gewissen Bundesstaaten angefochten werden. Das war schon bei den letzten Wahlen so. Aber diesmal hat es – vor dem explosiven Hintergrund – eine ganz andere Bedeutung.
Ist Ihre Mission als Wahlbeobachter nun abgeschlossen?
Wir haben in einer halben Stunde das Debriefing. Anschliessend muss ich noch diverse Arbeiten erledigen – ich war jetzt ein paar Stunden nicht mehr online. Danach fliege ich zurück, sodass ich am Donnerstag bereits wieder in der Schweiz bin.