Der Fall ist eigentlich klar: Offiziell sind Schweizer Casinos gesetzlich verpflichtet, Spielsucht zu verhindern. Recherchen der «SonntagsZeitung» zeigen nun allerdings gravierende Mängel im Schutz der Spielenden. Gefährdete Zocker können je nach Anbieter Zehntausende Franken verspielen, bis sie gesperrt werden. Ab wann ein Casino eingreift, variiert dabei stark.
Manche reagierten schon bei 8 Besuchen im Monat, andere erst bei 15. Ebenso unterschiedlich seien die finanziellen Schwellen, ab wann jemand als gefährdet gilt. Einzelne Casinos würden bereits bei Verlusten von ein paar Tausend Franken die Reissleine ziehen, andere reagierten erst bei fünfstelligen Beträgen. Diese Praxis wurde vom Bund überprüft und genehmigt, wie es weiter heisst.
«Limiten sind viel zu hoch angesetzt»
Suchtexperten kritisieren diese hohen Grenzen scharf. Tobias Hayer (50), ein führender Glücksspielforscher, sagt der «SonntagsZeitung»: «Die Limiten sind viel zu hoch angesetzt. Wenn sie dann noch bei jedem Casino neu beginnen, kann man sie gleich ganz vergessen.»
In Deutschland ist der Spielerschutz strenger: Maximal 1000 Euro dürfen monatlich verspielt werden, unabhängig vom Anbieter. In der Schweiz hingegen setzt die Eidgenössische Spielbankenkommission (ESBK) nur wenige konkrete Vorgaben, was den Spielerschutz angeht.
«Einheitliche Schutzmassnahmen bei Online-Casinos»
Der Schweizer Casino-Verband betont hingegen, dass die Schweizer Spielbanken ihre soziale Verantwortung ernst nehmen. Doch solange hohe Verluste toleriert und die Spieler nicht konsequent geschützt werden, bleibt die Frage: Ist es wirklich Spielerschutz – oder nur ein lukratives Geschäft?
Denn die Schweizer Casinos nahmen im vergangenen Jahr mehr als 900 Millionen Franken mit ihren Spielen ein. Das ist der höchste Wert der letzten zehn Jahre und liegt auch an den Online-Casinos, die immer beliebter werden.
Mitte-Chef Gerhard Pfister (61) ist Präsident des Casino-Verbands. Dem Verband sind sämtliche 21 Casinos und 10 Online-Casinos in der Schweiz angeschlossen. Pfister plädiert in der «SonntagsZeitung» für einheitliche Schutzmassnahmen bei Online-Casinos. Er betont, dass die Ausgestaltung der Schutzmassnahmen den Casinos überlassen bleibe, während die ESBK deren Wirksamkeit überprüfe. «Wenn es zusätzlichen Schutzbedarf geben sollte oder wenn gewisse Regelungen nicht genügen, ist es Sache der Aufsicht, das festzustellen und dann die Anpassung der Regelungen zu verlangen», so Pfister.