Simonetta Sommaruga (62) hat sich wohl zu früh gefreut. Im März kündigte die Umwelt- und Energieministerin im Blick ein Solidaritätsabkommen mit Deutschland an. Im Abkommen hätten sich beide Länder dazu verpflichtet, sich bei einem Versorgungsengpass mit Gas auszuhelfen. Doch der Deal ist jetzt wohl geplatzt, schreibt der «Tages-Anzeiger».
Dabei hatte es im Mai, am Wirtschaftsforum WEF in Davos, noch vielversprechend ausgesehen. Dort hatte sich der deutsche Klimaminister und Vizekanzler Robert Habeck (53) mit Sommaruga und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62) getroffen. Danach hatte Habeck ein solches Solidaritätsabkommen in Aussicht gestellt.
Zankapfel Streitbeilegung
Nur wenige Monate später, im Juli, schrieben die Zeitungen von «CH Media», das Abkommen sei blockiert. Zankapfel schien die Streitbeilegung zu sein. Berlin habe Bern vorgeschlagen, dass im Streitfall der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheiden würde. Und die Schweiz ist bekanntlich allergisch auf «fremde» Richter.
Das dementierte die Bundesverwaltung. Deutschland habe der Schweiz keinen Vorschlag gemacht, wie verfahren werden sollte, falls es im Zusammenhang mit dem Abkommen zu Meinungsverschiedenheiten kommen würde. Die EU habe bloss empfohlen, dass es im Abkommen eine Regelung zur Streitschlichtung geben sollte. Bern hätte Berlin deshalb ein bilaterales Schiedsgericht vorgeschlagen.
Wegen Italien gescheitert?
Dieses Schiedsgericht scheint nun doch ein Grund zu sein, weshalb das Abkommen scheitern könnte. Denn ein solches hätte für die EU Präzedenzcharakter. Habeck hatte sich ausserdem Ende Juli gegenüber «CH Media» klar gegen Schweizer «Rosinenpicken» ausgesprochen – auch im Hinblick auf Solidarität und Kooperation im Energiebereich.
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Das Hauptproblem liegt aber anderswo: in Italien. Deutschland hat es eigentlich nicht auf ein bilaterales Abkommen mit der Schweiz abgesehen, sondern will ein trilaterales, bei dem auch Italien dabei ist. Ein Deal mit Italien ist viel interessanter für Deutschland als einer mit der Schweiz. Denn hierzulande gibt es keine Gasspeicher, weshalb vor allem die Schweiz vom Deal profitieren würde und nicht umgekehrt.
Italien denkt jedoch nicht daran, seine Gasvorräte im Notfall mit Deutschland zu teilen. Das dürfte sich mit der künftigen Regierungschefin, der europaskeptischen Giorgia Meloni, nicht ändern – im Gegenteil.
Dass das Abkommen geplatzt ist, sagt Sommaruga zwar nicht explizit. Im Interview mit der «NZZ am Sonntag» räumt die Energieministerin allerdings selbst Zweifel daran ein. Angesprochen auf das angestrebte Solidaritätsabkommen sagt sie: «Wir sind im Gespräch, aber ob das am Ende zustande kommt, ist unsicher.» (bgs)