Politiker müssen einstecken: Je mehr ein Politiker eine populistische, undifferenzierte, verkürzte, provokative Sprache verwende, umso mehr müsse er sich pointierte Kritik im politischen Umfeld gefallen lassen. Das steht im begründeten Urteil des Bezirksgerichts Bremgarten AG. Es bezieht sich auf den Aargauer SVP-Nationalrat Andreas Glarner (61) – der verbal gerne mal den Zweihänder auspackt.
Der Hintergrund: Im Dezember 2022 bezeichnete Hansi Voigt (61), ehemaliger Chefredaktor von «20 Minuten Online» und Gründer des Newsportals Watson, Glarner auf dem Kurznachrichtendienst X als «Gaga-Rechtsextremist».
Das liess sich der SVPler nicht gefallen und reichte Anzeige ein. Die Staatsanwaltschaft verurteilte Voigt wegen Beschimpfung und übler Nachrede. In der Berufung aber sprach das Bezirksgericht Bremgarten den Journalisten frei. Sprich: Glarner darf derzeit als «Gaga-Rechtsextremist» bezeichnet werden.
«Rechtsextremist» ist nicht gleich «Neonazi»
In seiner Kurzbegründung nach dem Prozess hatte Einzelrichter Lukas Trost (parteilos) festgehalten, Voigts Kritik an Glarner habe sich auf dessen politische Tätigkeit bezogen. Der SVP-Politiker sei nicht in seiner Ehre als Person herabgesetzt worden. Zudem gebe es keine einheitliche Definition des Begriffs «Extremismus».
Glarner dagegen befand, ein Extremist agiere ausserhalb des demokratischen Spektrums und gewalttätig. Voigt wiederum entgegnete, der SVPler bewege sich politisch am äussersten rechten Rand.
Nun liegt das begründete Urteil vor, über welches die Zeitungen von CH Media berichten. Darin ist unter anderem festgehalten: «Rechtsextremist» ist kein Synonym für «Neonazi». Glarner werde nicht explizit unterstellt, rassistisch zu sein oder Sympathien für nationalsozialistische Ideologien zu hegen.
Dürfe nicht verboten sein, Dinge beim Namen zu nennen
Der Begriff «Extremist» ist für den Richter als Bezeichnung zudem in Ordnung. In sachbezogener Weise müssten bei der Einordnung eines Politikers die Bezeichnungen als «Links-» oder «Rechtsextremist» zulässig sein.
Der politische Diskurs in der Schweiz werde immer konfrontativer, schreibt Richter Trost weiter in seiner Urteilsbegründung. Das müsse eine Demokratie aushalten, zumal es nicht verboten sein dürfe, Dinge beim Namen zu nennen. In diesem Zusammenhang zu behaupten, die Bezeichnung einer Person als «links-» oder «rechtsextremistisch» sei stets diffamierend, sei eine Verkennung der politischen Wirklichkeit.
Der Fall ist damit aber noch nicht abgeschlossen. Glarner wie auch die Staatsanwaltschaft haben ihn ans Obergericht Aargau weitergezogen. (dba)