Rakete im Darknet
Kriminelle schmuggeln Waffen aus der Ukraine

Der europäischen Polizeibehörde Europol liegen Hinweise auf Waffenschmuggel aus der Ukraine vor. In der Schweiz will Ignazio Cassis die Regelungen für Waffenexporte lockern – eine umstrittene Idee.
Publiziert: 22.07.2022 um 19:23 Uhr
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Aktualisiert: 23.07.2022 um 09:02 Uhr
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Der europäischen Polizeibehörde Europol liegen Hinweise auf Waffenschmuggel aus der Ukraine vor. So gibt es im Darknet eine mobile US-Panzerabwehrrakete vom Typ Javelin zu kaufen.
Foto: keystone-sda.ch
Laura Montani

Immer wieder drängt Ukraines Präsident Wolodimir Selenski (44) auf mehr und schnellere Waffenlieferungen aus dem Westen. Nun aber berichtet SWR von Waffenschmuggel aus der Ukraine.

Europol-Sprecher Jan Op Gen Oorth bestätigt Fälle von Schwarzmarkthandel mit Schusswaffen und militärischen Gütern. Die Ermittler aus den EU-Mitgliedsstaaten hätten zudem Hinweise auf den Handel mit schweren militärischen Waffen. So gibt es im Darknet eine mobile US-Panzerabwehrrakete vom Typ Javelin zu kaufen.

Beunruhigende Risiken

«Das Risiko besteht, dass diese in die Hände des organisierten Verbrechens oder von Terroristen fallen», so Op Gen Oorth. Für Europol seien dies beunruhigende Risiken. Die Behörden wüssten bereits von mehreren Versuchen von Personen, die Ukraine mit Schusswaffen zu verlassen. Auch seien entlang der Grenze schon Lager mit Waffen und Munition entdeckt worden, die wohl in die EU hätten geschmuggelt werden sollen.

Dass gelieferte Kriegswaffen plötzlich andernorts auftauchen, ist nichts Neues. Auch Schweizer Waffen tauchen immer wieder in Konfliktgebieten auf, in die der Export eigentlich verboten ist. In Syrien tauchten 2018 etwa Handgranaten der Ruag auf, die IS-Kämpfer erworben hatten, wie der SonntagsBlick schrieb.

«Für die Schweiz katastrophal»

Dennoch will Bundespräsident Ignazio Cassis (61) die Regeln für Waffenlieferungen lockern und die Neutralität neu ausrichten. So soll die Schweiz künftig die Möglichkeit haben, demokratische Staaten mit Waffen zu beliefern, wenn diese angegriffen werden. Dabei müsse man aber jeweils prüfen, wie das Neutralitätsrecht und die Glaubwürdigkeit der Schweiz als neutrales Land zu wahren wären.

Für Roland Rino Büchel (56) sind Cassis' Pläne nicht nachvollziehbar. «An den Regeln für Waffenlieferungen herumzubasteln, wäre für die Schweiz katastrophal», findet der SVP-Nationalrat. Mit Lockerungen bestehe vermehrt die Gefahr, dass Waffen in die falschen Hände gelangen könnten. Für ihn ist deshalb klar: «Mit solchen Forderungen gefährdet Cassis die Schweizer Neutralität massiv. Solche Gedanken mögen im Moment populär sein. Von Weitsicht und Überlegtheit fehlen ihnen jedoch jede Spur.»

Jonas Kampus von der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa) pflichtet Büchel bei. Mit Lockerungen würden der Waffenlobby Tür und Tor geöffnet, und es würde der Einsatz von Schweizer Waffen in globalen Konflikten ermöglicht. «Zudem geht es nicht nur um Waffenlieferungen an die Ukraine, sondern zum Beispiel auch an Saudi-Arabien», gibt er zu bedenken. Für ihn ist klar: Die Rolle der Schweiz bestehe darin, den russischen Rohstoffhandel zu unterbinden, nicht in der Lieferung von Waffen.

«Wenig Verständnis bei unseren Partnern»

Ganz anders sieht das Damian Müller (37). Der Luzerner FDP-Ständerat sagt, dass die Lieferung von Waffen an angegriffene Staaten keineswegs die Neutralität gefährde – denn neutralitätsrechtlich gebe es gar keine Einschränkungen für die Weitergabe von Waffen an Drittländer. Und: «Neutralitätspolitisch können wir komplett selbst bestimmen, ob wir an der Wiederausfuhrerklärung festhalten wollen oder nicht.»

Diese Wiederausfuhrerklärung wurde in den kommenden Monaten immer wieder zum Problem – beispielsweise, als Deutschland der Ukraine Gepard-Panzer inklusive Schweizer Munition liefern wollte. Die Schweiz gestattete dies Deutschland aber nicht. «Bisher war man da restriktiv», fasst auch Müller zusammen. «Die vergangenen Monate haben aber gezeigt, dass es bei unseren Partnern mit gleichen Werten wie etwa Deutschland nicht auf Verständnis stösst, wenn wir ihnen das verbieten.»

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