Mit einem Knall beendete Gewerkschaftsboss Paul Rechsteiner (65) die ruhigen Sommerwochen in Bundesbern. Mit seiner kategorischen Absage, überhaupt mit Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (66, FDP) über Anpassungen beim Lohnschutz zu sprechen, sind die Chancen auf den Abschluss eines Rahmenabkommens mit der EU stark gesunken.
Zur Erinnerung: Die EU verlangt Änderungen bei den flankierenden Massnahmen, um beim angestrebten Vertrag, der übergreifende Fragen zu den bilateralen Verträgen regeln soll, eine Einigung zu erzielen.
Wie geht es nach den stürmischen Tagen weiter? BLICK zeigt die fünf möglichen Szenarien.
Blockade und Nadelstiche
Der Bundesrat sistiert die Verhandlungen mit der EU, das Rahmenabkommen wird vorerst begraben. Die Parteichefs von SP, CVP und FDP plädieren in der «SonntagsZeitung» offen dafür: «Wenn der Bundesrat mit Brüssel inhaltlich keine Einigung erzielt, sollten die Verhandlungen mit der EU vorerst sistiert werden», so FDP-Präsidentin Petra Gössi (42).
Gut möglich, dass sich die EU an der Schweiz rächen würde: Indem sie etwa der Schweizer Börse die gleichberechtigte Teilnahme am EU-Markt verwehrt. Oder indem sie Hochschulen von EU-Forschungsprogrammen ausschliesst. Die EU kann zudem für die hiesige Exportwirtschaft wichtige technische Anpassungen bei diversen Verträgen verzögern – zum Schaden unserer Wirtschaft.
Der Schweiz bleiben zwei Möglichkeiten: Die Nachteile akzeptieren oder doch noch ein Rahmenabkommen unterzeichnen.
Schweiz kauft sich frei
Trotz gescheiterten Rahmenabkommens bleiben die Beziehungen vorerst unverändert. Dank eines Stillhalteabkommens. Man könnte auch sagen: Friedensvertrag. Und dank der Kohäsionsmilliarde, welche die Schweiz rasch bezahlt. Die EU verpflichtet sich, auf Gegenmassnahmen zu verzichten.
Rechsteiner knickt ein
Die Gewerkschaften akzeptieren doch noch Anpassungen beim Lohnschutz mit der EU – der Weg für die Unterzeichnung des Rahmenabkommens wird frei.
Das ist laut SP-Fraktionschef Roger Nordmann (45) durchaus möglich: «Werden die Flankierenden punktuell nach unten justiert, muss der Lohnschutz andernorts gestärkt werden – es ist ein Geben und Nehmen.» Auch Travailsuisse-Präsident Adrian Wüthrich (38) äussert sich in diese Richtung.
Der Basar ist eröffnet
Alt Aussenministerin Micheline Calmy-Rey (73) zeigt sich im SonntagsBlick zuversichtlich: «Ich bin überzeugt, die Schweizer Diplomaten und das Parlament sind intelligent genug, um Auswege aus dieser Sackgasse zu finden.» Aber sicherlich nicht schon in diesem Herbst.
2019 sind in der Schweiz und in der EU Wahlen. Zudem muss der Brexit dann vollzogen sein. Danach sieht die politische Landschaft in Europa etwas anders aus, was auch einen Abschluss des Rahmenabkommens beeinflusst.
Der grosse Bluff
Der grosse Brocken in den Verhandlungen war stets, wie Streitigkeiten geregelt werden sollen. «Fremde Richter» wurde zum Ausdruck der Stunde. Von einem Tag auf den anderen ist von all dem nichts mehr zu hören. Der Lohnschutz ist urplötzlich der Zankapfel.
Kann ein Rahmenabkommen tatsächlich daran scheitern? Nein, sagt SVP-Präsident Albert Rösti (50) und spricht von einem «Ablenkungsmanöver». Die Mitte-links-Parteien würden damit kaschieren, um was es beim Rahmenabkommen im Kern geht: um die automatische Übernahme von EU-Recht.
Möglich, dass die Lohnschutz-Suppe am Ende heisser gekocht wurde, als sie tatsächlich gegessen wird. Dann findet eine Volksabstimmung zum Rahmenabkommen in der typischen europapolitischen Konstellation statt: SVP gegen den Rest.
Das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU ist derzeit in aller Munde und wird auf allen Ebenen heiss diskutiert. Doch was genau fällt eigentlich alles unter das Abkommen und was sind die Streitpunkte? Ausführliche Antworten gibt es hier.
Das Rahmenabkommen zwischen der Schweiz und der EU ist derzeit in aller Munde und wird auf allen Ebenen heiss diskutiert. Doch was genau fällt eigentlich alles unter das Abkommen und was sind die Streitpunkte? Ausführliche Antworten gibt es hier.