Quarantäne-Listen bleiben geheim
Ärzte pochen auf Datenschutz – Polizei ahnungslos

Die Polizei weiss nicht, wer sich nicht an die Quarantänepflicht hält und womöglich andere Menschen gefährdet. Die Ärzte verweisen auf die Schweigepflicht, obwohl sie damit die Sicherheit der Bevölkerung gefährden könnten.
Publiziert: 06.07.2020 um 19:14 Uhr
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Aktualisiert: 07.07.2020 um 14:14 Uhr
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Obwohl er unter Selbstquarantäne gestellt war, traf die Polizei Wirt Onur T. (53) in seinem Lokal an.
Foto: zVg
Daniel Ballmer

Nur dank Tipps werden die Behörden auf die Corona-Delinquenten aufmerksam. In der Nacht auf Sonntag, kurz nach Mitternacht, fahren die Polizei sowie Vertreter des kantonalen Amts für Arbeit und Wirtschaft bei der Baracoa-Bar in Grenchen SO vor. Dort stellen sie Wirt Onur T.* (53) zur Rede: Er hätte zu Hause in Quarantäne sein müssen, weil er drei Tage zuvor an einer Party mit einem Superspreader war. Zuvor hatte die Polizei einen Hinweis erhalten. Das Lokal wird nun vorübergehend geschlossen.

Für den Grenchner Stadtpräsidenten François Scheidegger (58, FDP) ist es «ein Unding, dass die Polizei keine Quarantäne-Listen vom Kantonsarzt erhält». So hätten die Beamten keine Ahnung, von wem allenfalls eine übertragbare Krankheit ausgeht. Dringenden Handlungsbedarf erkennt auch SVP-Nationalrat Mike Egger (27): «Der Bund hat hier ein Problem. Die Daten müssen einfach und elektronisch verfügbar sein.»

Ärzte verweisen auf Datenschutz

Die Gesundheitsbehörden haben aber keinesfalls im Sinn, die Quarantänedaten mit der Polizei zu teilen. Das stellen mehrere Kantonsärzte gegenüber BLICK klar. Wer sich in der Schweiz in Corona-Quarantäne begeben muss, ist in den jeweiligen Kantonen nur den Gesundheitsämtern und den zuständigen Contact Tracern bekannt.

Begründet wird dies vorab mit dem Datenschutz. Medizinische Informationen wie Corona-Erkrankungen unterliegen der ärztlichen Schweigepflicht. In der Praxis heisst das: Die Contact-Tracing-Teams versuchen, einzig mit täglichen Kontrollanrufen zu überprüfen, ob sich Infizierte tatsächlich an die verordnete Quarantäne halten. Im Fall Grenchen hat das wenig genützt.

Es drohen 10'000 Franken Busse

Die Gesundheitsbehörden könnten die Polizei damit beauftragen, Kontrollen vorzunehmen, betont der Basler CVP-Regierungsrat und Präsident der Schweizer Gesundheitsdirektoren Lukas Engelberger (45). Deshalb könne man aus seiner Sicht darauf verzichten, die Daten weiterzumelden: «Ich befürchte, dass die Quarantäne ansonsten als Strafe angesehen wird und weniger Personen als Kontaktpersonen gemeldet werden.»

Generell würden sich die Behörden gegenseitig informieren, sofern dies für die Aufgabenerfüllung erforderlich sei, sagt der Solothurner Kantonsarzt Lukas Fenner (47). Doch: Aufgrund des Datenschutzes können der Kantonspolizei nicht einfach sämtliche unter Quarantäne gestellten Personen bekannt gegeben werden.

Gemäss Epidemiengesetz und Covid-19-Verordnung dürften die Daten gar nicht an die Polizei weitergegeben werden, sagt auch der Luzerner Kantonsarzt Roger Harstall (50). «Bis heute haben wir aber gute Erfahrungen gemacht, was die Einhaltung der Quarantäne angeht.» Wird die Massnahme nicht eingehalten, werde sie polizeilich durchgesetzt und Strafanzeige erhoben. Dabei droht eine Busse von maximal 10'000 Franken.

Bis dahin aber bleibt die Polizei aussen vor. Datenschutz und Persönlichkeitsrechte müssten eingehalten werden. «Die Personen in Isolation und Quarantäne haben sich grundsätzlich nichts zu Schulden kommen lassen», betont die Aargauer Kantonsärztin Yvonne Hummel. «Eine generelle Überwachung durch die Polizei ist nicht verhältnismässig.»

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