Bündner Regierungsräte und Kantonsbeamte sollen die Preisabsprachen im Strassenbau schon früh vermutet haben. Ab Anfang der 2000er-Jahre sollen sie teilweise sogar davon gewusst haben.
Zu diesem Schluss kommt die Parlamentarischen Untersuchungskommission (Puk), die den Bündner Baukartell-Skandal untersuchte. Am Mittwoch stellte die Kommission in Chur ihren zweiten Teilbericht vor. Sie beleuchtet darin die Rolle von Regierung, Departementen und Dienststellen.
Engler entlastet
Dem damaligen Vorsteher des Baudepartementes, dem heutigen Mitte-Ständerat Stefan Engler, waren die Vermutungen laut der Puk bekannt. Er konnte aber offenbar plausibel machen, dass die Beweislast zu wenig gross gewesen war, als dass er hätte handeln können.
Englers Ausführungen halte die Untersuchungskommission für glaubwürdig, sagte Grossrat und Puk-Mitglied Thomas Gort (SVP). Und auch Englers Nachfolger Mario Cavigelli (Mitte) habe überzeugend darlegen können, vom Baukartell erst durch die Untersuchung der Eidgenössischen Wettbewerbskommission (Weko) erfahren zu haben.
Zögerlicher Kanton
Weniger gross waren die vorhandenen Verdachtsmomente, was das in den Medien bekannt gewordene Unterengadiner Baukartell betrifft. Verdacht und später auch Kenntnis davon hatten nur Mitarbeitende des Tiefbauamtes.
Dennoch kommt die Untersuchungskommission zum Schluss: «Trotz der vorhandenen Vermutungen und Kenntnisse schritt der Kanton nur sehr zögerlich ein und ergriff vorerst keine oder nur unzureichende Massnahmen». Die Puk beurteilt Unterlassungen von drei Führungspersonen im Tiefbauamt als Verletzungen der Dienstpflicht. Es handelt sich um den damaligen und um den aktuellen Amtschef und um einen ehemaligen Unterengadiner Bezirkschef. Hätten diese drei nach Hinweisen des Whistleblowers Adam Quadroni im Jahr 2009 gehandelt, hätte der Kanton früher adäquat reagieren können, erklärte Gort.
Als "naiv" sei das Verhalten des damaligen Gemeindepräsidenten des Unterengadiner Hauptortes Scuol, Jon Domenic Parolini, aus heutiger Sicht zu werten, antwortete Gort auf eine entsprechende Frage. Der heutige Mitte-Regierungsrat war 2009 ebenfalls von Quadroni kontaktiert worden. Gestützt auf Auskünfte aus der Baubranche ging er aber gemäss eigener Aussagen davon aus, dass das Kartell nicht mehr existiere.
Keine Hinweise auf Bestechung
Ein sehr gutes Zeugnis stellt die Untersuchungskommission dem Kanton hingegen für die Zeit aus, nachdem die Eidgenössische Wettbewerbskommission (Weko) 2012 ihre Untersuchung eröffnete. Der Kanton habe schnell reagiert und griffige neue Massnahmen und Instrumente eingeführt.
Entwarnung gibt es zudem in Bezug auf eine aktive Rolle von Verwaltung und Regierung. Die Puk fand keine Hinweise darauf und auch keine Hinweise auf Bestechung.
Jahrelange Preisabsprachen
Öffentlich bekannt machte die Wettbewerbskommission den schweizweit bisher grössten Fall von Preisabsprachen im Baugewerbe 2018. Während Jahren manipulierten im Unterengadin Bauunternehmen Beschaffungen im Hoch- und Tiefbau.
Parallel dazu manipulierte ein anderes Kartell den Strassenbau auf fast dem ganzen Kantonsgebiet. Die Kartelle sprachen Preise ab und legten fest, wer welchen Auftrag erhielt.
In ihrem ersten, Ende 2019 publizierten Teilbericht hatte die Puk Polizeieinsätze gegen den Whistleblowers Adam Quadroni untersucht – und kritisiert. Quadroni hatte das Unterengadiner Baukartell, dem er vorher selber angehörte, an die Öffentlichkeit gebracht.
(SDA)