Um Seniorinnen und Senioren besser vor einer zweiten Welle zu schützen, schlägt die wissenschaftliche Taskforce des Bundes die Schaffung von Sonderzonen für sie vor. Der Strauss an Ideen ist bunt; denkbar sind etwa Betagten-Abteile im Zug, Senioren-Sääli in Restaurants oder spezielle Einkaufszeiten für über 65-Jährige.
Man wolle den älteren Menschen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben – auch bei einem Wiederanstieg der Fallzahlen – ermöglichen, sagt Taskforce-Mitglied Manuel Battegay (60). Es gehe dabei insbesondere um soziale Fragen: «Wir müssen eine erneute Abschottung von Betagten und Risikopersonen unbedingt verhindern.»
«Ein Paradigmenwechsel»
Die Vorschläge sind gut gemeint. Aber sind sie auch im Interesse der Betroffenen? Peter Burri von Pro Senectute äussert bei Blick TV grosse Zweifel: «Das Wort ‹Sonderzonen› sagt es bereits: da werden Menschen abgesondert.» Das sei menschenunwürdig. «Wir alle haben Eltern oder Grosseltern. Wir wissen, wie schlimm es für sie wäre, wenn man sie in Sonderzonen sperren würde.»
Die Einführung von Rentner-Räumen würde laut Burri zudem einen Paradigmenwechsel darstellen. «Ältere Menschen dürfen heute alles machen, was sie wollen. Sie könnten theoretisch auch einen Nachtclub besuchen. Nur machen sie das praktisch nie.» Mit der Schaffung von Schutzzonen würde man ihre Freiheit stark einschränken. «Im Alltag würde das bedeuten, dass Senioren gewisse Dinge schlicht nicht mehr tun dürften.»
Rentner dürfen Risiko eingehen
Allerdings: Die Idee der Wissenschaftler wäre nicht, dass Senioren sich nur noch in den Sonderzonen aufhalten dürften. Im Gegenteil würden sie eine gewisse Einschränkung für alle anderen bedeuten, da die Sonderzonen exklusiv für ältere und weitere Risikogruppen reserviert wären.
Zudem betont Mediziner Battegay: Es gehe eben genau darum, dass ältere Menschen wieder individuelle Entscheidungen treffen könnten – auch wenn sie dabei ein Risiko eingehen würden. «Ich kann gut verstehen, dass man als über 85-Jähriger die verbleibende Lebenszeit mit Freunden und Familie verbringen möchte. Das lässt sich auch organisieren – sofern Dritte nicht gefährdet werden.» Wichtig sei, dass es sich bei den Sonderzonen um Empfehlungen der Taskforce handle, und nicht um verbindliche Regeln.
Verbindliche Regeln: Das würde sich Pro-Senectute-Vertreter Burri wünschen – jedoch für alle: «Wenn der Bundesrat letzten Freitag eine generelle Maskentragepflicht im ÖV eingeführt hätte, hätte er das Beste getan, um eine zweite Welle zu verhindern.» Viele ältere Menschen seien derzeit stark verunsichert. Würden alle Passagiere eine Maske tragen, wäre ihnen bereits viel geholfen.