Eisig kalt war es gestern in Bern. Vor allem an der Wankdorfallee 4, am Hauptsitz der Post. Hier traf sich am Nachmittag der neunköpfige Verwaltungsrat zur Krisensitzung zum Post-Bschiss. Geschäftskosmetik wollte man betreiben. Massnahmen einführen, damit Gesetze in Zukunft besser eingehalten werden. Ein paar Kontrollmechanismen mehr ankündigen. Und den Staatsbetrieb mit Susanne Ruoff (60) an der Spitze weiterführen.
Daraus wurde nichts. Denn mitten in die Sitzung platzt eine Bombe: Die Meldung, dass der Bund Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft und bei der Berner Staatsanwaltschaft wegen der Postauto-Gewinnumbuchungen eingereicht hat – und zwar gegen alle Organe der Post, also auch gegen die Mitglieder des Verwaltungsrats (VR).
Zwei Bauernopfer und etwas Kosmetik reichen nicht mehr
Der Zeitpunkt könnte schlechter nicht sein. Aber: «Das Bundesamt musste handeln, da genug Anhaltspunkte für einen Anfangsverdacht von möglichen Straftaten gegeben sind», erklärt Verwaltungsstrafrechtler Andreas Eicker (45) das Vorgehen.
«Genügend Anhaltspunkte»: Plötzlich wird den Frauen und Männern der Postaufsicht bewusst, es könnte auch ihnen an den Kragen gehen. Allen voran Postpräsident Urs Schwaller (65) muss jetzt klar sein, was es geschlagen hat. Der Jurist und alt CVP-Ständerat weiss: Zwei geschasste Postauto-Chefs und Kosmetik reichen nicht.
Grösster Subventionsbetrug
Der VR kann den wohl grössten Subventionsbetrug, den die Schweiz gesehen hat, nicht mehr aussitzen. Jetzt muss er handeln. Oder hoffen, dass die Bundesrätin und Schwallers Parteifreundin Doris Leuthard (54) nicht länger zusieht. Gut, haben Leuthard und Schwaller die Handynummern des jeweils anderen gespeichert.
Der Spielverderber heisst Peter Füglistaler (58). Er ist Chef des Bundesamts für Verkehr (BAV). Füglistaler hat den Post-Verantwortlichen mit seiner Strafanzeige einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Und so zog sich die Sitzung gestern bis spätabends hin.
Die Post hatte doch Externe beauftragt
Dabei hatte man doch zusammen mit Ruoff bereits im November die Wirtschaftsprüfer von EY – vormals Ernst & Young – an Bord geholt, um abzuklären, ob es die vom BAV beanstandeten Umbuchungen tatsächlich gab. Noch heute scannen die EY-Leute die Postauto-Buchungen durch.
Zudem hat die Post zusätzlich die renommierte Anwaltskanzlei Kellerhals Carrard mit einer externen Untersuchung des Postauto-Bschisses betraut. Sie gehört zu den Big Five der Wirtschaftsanwaltskanzleien im Land. Und sie rapportiert direkt an Schwaller.
Schwaller könnte der Ausweg sein
Solche Untersuchungen brauchen Zeit, die die Post nun nicht mehr hat. Dafür hat Füglistaler gesorgt. Das Vertrauen in die Konzernspitze ist weg: «Ruoff hat sich in den letzten Tagen in derart viele Widersprüche verheddert, dass sie nur an Glaubwürdigkeit zurückgewinnen kann, wenn sie sich mindestens einstweilen von der Postspitze zurückzieht», sagt Wirtschaftsjuristin Monika Roth von der Hochschule Luzern.
Gleichzeitig muss die Post weiter geschäften. Für Roth ist VR-Präsident Schwaller ein Ausweg: Erst seit 2016 VR-Präsident, sei der Freiburger «genug glaubhaft, um die Post interimistisch weiterzuführen».
Heute Nachmittag lädt der Post-VR um 14 Uhr die Medien in den Hauptsitz an der Berner Wankdorfallee. Man wartet auf den Befreiungsschlag.