Chinesische Staatskonzerne sind auf grosser Einkaufstour in Europa. Deutschland schiebt dem nun einen Riegel vor und will wichtige Unternehmen des Landes vor einer unerwünschten Übernahme schützen. Das Kabinett von Angela Merkel (63) gab kürzlich grünes Licht für eine Verordnung. Diese sieht vor, dass der Verkauf deutscher Unternehmen an Nicht-EU-Staaten untersagt werden kann, wenn dadurch wichtiges Know-how verloren geht.
Deutschland versucht zudem zusammen mit Italien und Frankreich eine Änderung der Übernahmeregeln in der EU zu erwirken.
Schweizer Verkaufskandidaten
Auch in der Schweiz wurden in den letzten Jahren prestigeträchtige Firmen ins Ausland verkauft. Weitere werden folgen. Gemäss einer neuen Studie der Credit Suisse ist etwa der Luftfrachtspezialist Panalpina ein Übernahmekandidat. Ebenso der Sensorenhersteller AMS, der Laborausrüster Tecan sowie der Dentalimplantatehersteller Straumann.
Eine ähnliche Studie der Grossbank Goldman Sachs kommt zum Schluss, dass auch die Softwarefirma Temenos, der Telekommunikationskonzern Sunrise und der Hörgerätehersteller Sonova Objekte der ausländischen Begierde sind. Selbst die Schweizer Schoggi-Perle Lindt & Sprüngli könne ins Visier geraten.
Jacqueline Badran (55) erachtet die Studien als besorgniserregend. Es gebe kein Land auf der Welt, das pro Kopf mehr ausgebe für Bildung, Forschung und Entwicklung als die Schweiz. «Das kostet enorm viel Steuergeld und führte die Schweiz an die wirtschaftliche Spitze», so die SP-Nationalrätin.
«China führt einen Wirtschaftskrieg um Schlüsseltechnologien», so Badran weiter. «Die Schweiz muss sich dagegen verteidigen und darf dem Ausverkauf nicht tatenlos zusehen.»
Bereits letztes Jahr hat die Zürcherin einen Vorstoss eingereicht, in dem sie verlangt, dass der Verkauf von strategischen Infrastrukturen der Energiewirtschaft ans Ausland erschwert wird – etwa Wasserkraftwerke, Strom- und Gasnetze also.
IMAGE-ERROR (Image)In Deutschland wäre neu ein Veto beim Verkauf kritischer Infrastruktur möglich – bei Kraftwerken, Flughäfen, Stromnetzen und Krankenhäusern. Aber auch Hersteller von spezialisierter Computersoftware nimmt die deutsche Regierung in Schutz, etwa jene für Finanz- und Versicherungsleistungen. Wichtiges Fachwissen solle nicht durch Übernahmen verloren gehen, heisst es zur Begründung der neuen Verordnung. Deutschland reagiert damit auf den chinesischen Kauf des Roboterherstellers Kuka. Dieser war hochumstritten, weil Robotern in Zukunft enorme Bedeutung zukommt.
Badrans Parteikollegin Susanne Leutenegger Oberholzer (69) fordert hierzulande zumindest die Einrichtung eines Staatsfonds durch die Nationalbank. Dieser könne sich dann an strategisch wichtigen Unternehmungen beteiligen – und Verkäufe dadurch erschweren.
Volkswirtschaftliche und aussenpolitische Bedrohung
Auch bei anderen Parteien wird China als Gefahr angesehen: So verlangt SVP-Nationalrat Hans-Ueli Vogt (47) mittels Vorstoss vom Bundesrat Antworten auf die Bedrohung der volkswirtschaftlichen und aussenpolitischen Interessen der Schweiz.
Die Firmenkäufe sind laut Vogt «Teil eines von der chinesischen Führung beschlossenen Masterplans». Systematisch würden Know-how, Technologien und ganze Wertschöpfungsketten aufgekauft, die in der Schweiz dann fehlten. «Wir verkaufen unser Wissen an die Chinesen», sagt der Zürcher.
Auch FDP-Ständerätin Karin Keller-Sutter (53) teilt Vogts Sorgen: «Die Schweizer Wirtschaft muss sehr wachsam bleiben und auf Innovation setzen, damit sie nicht einem Ausverkauf ihres Wissens und ihrer Technologie unterliegt.»
Laut Wirtschaftsprofessor Peter V. Kunz (52) könnte die Politik «für strategische Schlüsselindustrien – etwa Telekommunikation, Energieinfrastruktur oder ‹Too big to fail›-Banken – ein Abwehrgesetz» erarbeiten.
Wenig Handlungsbedarf sieht hingegen Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann (65): Er könne mit dem Ausverkauf leben, sagte er kürzlich, «wenn Technologie und Innovationen hier bleiben – und damit auch die Jobs».