Es sind vier Seiten, die SVP-Bundesrat Guy Parmelin (60) nicht passen. Die Eawag, das Wasserforschungsinstitut der ETH, zeigt auf, dass der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft die Wasserqualität gefährdet. Parmelin sorgt dafür, dass das Papier unter Verschluss bleibt. Doch das ist nicht der einzige Fall: Nachdem ein ETH-Professor in einem «NZZ»-Gastkommentar den Bundesrat kritisierte, verpasst Parmelin den Forschern einen Maulkorb.
Bundesangestellte, wozu auch ETH-Forscher zählten, dürften den Bundesrat nicht kritisieren, steht im Protokoll einer Sitzung von Parmelin und der ETH-Spitze, das BLICK vorliegt.
Bildungspolitiker sind entsetzt. CVP-Nationalrätin Kathy Riklin (67) arbeitete selbst an der ETH und sass sieben Jahre im Universitätsrat der Uni Zürich. Sie sagt klar: «Das geht gar nicht! Solche Maulkörbe kennt man sonst nur von nicht demokratisch regierten Staaten.»
«Nicht als Majestätsbeleidigung auffassen»
Das Papier müsse sofort veröffentlicht werden, findet auch Christoph Eymann (68), der als Basler Regierungsrat das Bildungsdepartement führte und die Schweizer Universitätenkonferenz präsidierte. «Parmelin darf kritische Befunde der Wissenschaft nicht als Majestätsbeleidigung auffassen. Es ist die Aufgabe der Wissenschaft, auch heikle Themen zu untersuchen.»
Konsequenzen hat Parmelin von den Bildungspolitikern aber nicht zu befürchten. «Es darf einfach nicht mehr vorkommen», sagt Eymann.
Vorstoss eingereicht
GLP-Fraktionspräsidentin Tiana Moser (40) wird jetzt aktiv und wird einen Vorstoss einreichen. «Der Gesamtbundesrat muss Parmelin zurückpfeifen. Das ist eine nicht tolerierbare Grenzüberschreitung.» Moser hat selbst schon bei der ETH geforscht. «Oft sind solche Einflussnahmen nur Vermutungen. Aber hier scheint der Fall klar.»
Die Eawag kritisiert im Bericht, dass die Ziele zur Pestizidsenkung, die sich die Schweiz selbst gegeben hat, nicht genügten, um die gesetzlichen Anforderungen zu erreichen. Schuld daran ist unter anderem die Landwirtschaft, die grosse Mengen Chemikalien gegen Schädlinge einsetzt. Für Moser ist klar: «Bundesrat Guy Parmelin vertritt offenbar primär die Weinbauern, die viele Pestizide verwenden.»
Fehlende Hintergrundinformationen
Bei Swissuniversities, der Dachorganisation der Schweizer Universitäten, sieht man es differenzierter. Von einem Eingriff in die Forschungsfreiheit will Generalsekretärin Martina Weiss (51) nicht explizit sprechen. «Für die Beurteilung fehlen uns die Hintergrundinformationen.» Aber auch für Weiss ist klar: «Die Professoren müssen die Erkenntnisse und Resultate aus der Forschung weitergeben können.» Und sie gibt zu bedenken: «Auch ETH-Angehörige sind Bürger und als solche dürfen sie sich zu allem äussern.»
Parmelin verteidigt sich
Auch Forschungsminister Parmelin selbst hat auf die BLICK-Recherche reagiert. «Ich habe die wissenschaftliche Freiheit nie in Frage gestellt», sagt er in einem Video, das er via Twitter verbreitet hat. Seine Aussagen seien falsch interpretiert worden. Detailliert Stellung zum Memo nimmt Parmelin im rund eineinhalb Minuten dauernden Video nicht.
Das grosse BLICK-Interview mit Guy Parmelin zu den Vorwürfen finden Sie morgen im BLICK.