Nach dem Gotthard- und dem Lötschberg-Basistunnel soll am Grimsel der drittlängste Eisenbahntunnel der Schweiz entstehen. Eine Idee, die schon im 19. Jahrhundert diskutiert wurde. Nun könnte der Tunnel Realität werden.
Grund dafür sind die Hochspannungsleitungen, die über den Grimsel führen. Sie sind alt und müssen dringend ersetzt werden. Neu will man die Leitungen aber unterirdisch verlegen, durch einen Tunnel. Da liesse sich gleich auch ein Bahntunnel bauen, so die Idee.
Bundesrat soll Vollgas geben
Die Verkehrskommission des Ständerats ist vom Vorschlag eines Multifunktions-Tunnels angetan. Sie will die Idee weiter vorantreiben. Mit hauchdünnem Mehr hat sie sich am Freitag dafür ausgesprochen, dass die Finanzierung des Tunnels vom regulären Bahn-Ausbauprogramm abgekoppelt und separat finanziert wird. So könnte der Tunnel rascher realisiert werden.
Spätestens bis Ende Jahr soll der Bundesrat dem Parlament einen Beschluss zur Finanzierung vorlegen. Die Motion des Walliser Ständerats Beat Rieder (59, Mitte) wurde mit fünf zu fünf Stimmen bei drei Enthaltungen angenommen – mit Stichentscheid von Kommissionspräsident Hans Wicki (58, FDP).
Ausserdem hat die Verkehrskommission einen zweiten Vorstoss beschlossen, der weniger weit geht als die Forderung Rieders. Darin wird vom Bundesrat gefordert, zumindest noch dieses Jahr die Kredite zur Projektierung des Tunnels zu beantragen. Damit bleibe die Option für den multifunktionalen Tunnel offen, das Projekt könnte aber im Rahmen der ordentlichen Planung weiterverfolgt werden, so die Kommission.
Parlamentarier und Verwaltungsrats-Präsident
Kommissionspräsident Hans Wicki spielt eine besondere Rolle: Der Nidwaldner ist Verwaltungsratspräsident der Grimselbahn AG, die für die Planung und den Bau des Tunnels verantwortlich ist. Sein Ständeratskollege Beat Rieder sitzt ebenfalls im Verwaltungsrat.
Wicki sieht kein Problem in seiner Doppelfunktion. Er habe zu Beginn der Diskussion seine Interessenbindungen bekannt gegeben, wie das üblich sei, sagt er. «Damit war das erledigt.» Finde man solche Konstellationen ein No-Go, «dann können Sie das ganze Parlament auflösen», findet er. Schliesslich gebe es beispielsweise in der Gesundheitskommission auch Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit einem Mandat bei einer Krankenkasse. «Das ist üblich. Wichtig ist: Ich bin nicht finanziell an der Grimselbahn beteiligt und habe auch keinen finanziellen Vorteil aus dem Beschluss der Kommission.»
Er vergleicht das Projekt mit dem Bau des Gotthard-Tunnels. «Damals hat auch niemand gedacht, dass den jemand braucht.» Das Goms sei vom Aussterben bedroht – mit dem Tunnel erhalte es Anschluss an das Berner Oberland, was nicht nur für Touristen, sondern auch für Arbeitnehmer sehr interessant sei.
Ein Schnäppchen-Tunnel
Fest steht: Finanziell würde es sich lohnen, nicht nur ein Loch für den Strom, sondern gleich auch für die Bahn zu graben. 600 Millionen Franken soll der 22 Kilometer lange Tunnel kosten – 250 Millionen für die Verlegung der Hochspannungsleitungen, 350 Millionen für die Bahnlinie. «Das ist im Vergleich mit anderen Bahntunnels eigentlich nichts», sagt Wicki.
Der Nationalrat wird sich voraussichtlich kommenden Monat mit den Ausbauplänen befassen.