Das war die Diskussion
Sind die neuen Verträge zwischen der EU und der Schweiz ein Fortschritt im Vergleich zum Rahmenabkommen? Darüber diskutierten an der Medienkonferenz SVP-Nationalrat Alfred Heer, SP-Nationalrat Fabian Molina, Economiesuisse-Präsidentin Monika Rühl und Geschäftsführer der Kompass Initiative Philip Erzinger.
Für SVP-Nationalrat Heer ist klar: Die EU hätten besser verhandelt. «Unser Wohlstand ist gefährdet. Die Welt besteht nicht nur aus der EU.» Alfred Heer nennt das Schiedsgericht ein «Scheinverfahren». Auch der Schutzklausel traut er nicht.
Economiesuisse-Präsidentin Rühl weist darauf hin, dass die Schweiz die Schutzklausel selbst aktivieren kann. Die Schweiz werde auch in Zukunft Zuwanderung brauche. Die Personenfreizügigkeit habe positive Effekte, das würden Studien zeigen.
SP-Nationalrat Fabian Molina weist darauf hin, dass die Schweiz «massiv auf die Zuwanderung angewiesen ist». In der Stadt Zürich würden die Tramfahrer fehlen, erinnert er. Bei der Zuwanderung habe der Bundesrat Ausnahmen herausgeholt. Er fordert aber Massnahmen beim Lohnschutz. Er fordert «Leadership» vom Bundesrat.
Kompass-Geschäftsführer Philip Erzinger betont, man wolle ein Abkommen auf Augenhöhe. «Das ist hier nicht der Fall.» Er spricht von «vorweihnachtlicher Augenwischerei». Schon heute habe man den Marktzugang. «Wir plädieren dafür, keine institutionelle Anbindung zu haben»
Kompass-Geschäftsführer Erzinger will Ständemehr
Es wird wohl mehrere Abstimmungen über das EU-Paket abgeben. Das sei «grunddemokratisch», sagt SP-Nationalrat Fabian Molina. So könne man unterscheiden, welchen Dingen man zustimmen möchte, und welchen nicht.
Kompass-Geschäftsführer Erzinger möchte, dass sowohl Volk und Stände über den Vertrag abstimmen können.
«Sie wollen das gleiche, aber anders», kontert Monika Rühl von Economiesuisse. Die einzige Alternative sei ein Freihandelsabkommen. Sie verweist ebenfalls auf Grossbritannien, wo sich die wirtschaftliche Lage verschlechtert habe. Sie plädiert für ein Paket und erwähnt die Wichtigkeit des Stromabkommens.
Alfred Heer sagt, es brauche ein Ständemehr, weil auch die Kantone betroffen seien, gerade beim Stromabkommen.
Damit ist die Elefantenrunde beendet.
Molina: «Ich will diesen Vogel zum fliegen bringen»
SP-Nationalrat Fabian Molina spricht engagiert über den Lohnschutz. Das Problem sei noch nicht gelöst. Er nimmt nun den Bundesrat in die Pflicht.
Die Kontrollen seien gewährleistet und die Schweiz habe Ausnahmen zugebilligt bekommen, sagt Economiesuisse-Präsidentin Monika Rühl. «Das dünkt mich positiv.» Im innenpolitischen Prozess sei es eine Diskussion der Sozialpartner. «Da muss ich Herr Molina schon Fragen, ob die Gewerkschaften hinter den Bilateralen III stehen.»
Molina sagt, dass hänge davon ab, ob der Lohnschutz abgesichert sei. Bisher gäbe es nur einen Flügel, den aussenpolitischen. Der innenpolitische Flügel fehle noch. «Ich will diesen Vogel zum fliegen bringen.»
Rühl: Personenfreizügigkeit hat positive Effekte
Economiesuisse-Präsidentin Rühl weisst darauf hin, dass die Schweiz die Schutzklausel selbst aktivieren kann. Die Schweiz werde auch in Zukunft Zuwanderung brauche. Die Personenfreizügigkeit habe positive Effekte, das würden Studien zeigen.
SVP-Nationalrat Heer glaubt nicht, dass die Schweiz selbst entscheiden könne. «Wir sind doch nicht autonom.» In den letzten Jahren seien die positiven Effekte nicht sichtbar gewesen.
«Weil die Löhne nicht gestiegen sind», ruft Fabian Molina (SP).
Molina fordert «Leadership» vom Bundesrat
SVP-Nationalrat Alfred Heer traut der Schutzklausel nicht. Die Schweiz komme bei der Unionsbürgerrichtlinie entgegen. EU-Bürger bekommen nach fünf Jahren ein Bleiberecht. «Heute können wir jemand der Sozialhilfe bezieht zurückschicken, das geht nicht mehr.» Europa sei wirtschaftlich schwach. Die jungen Leute hätten keine Perspektive und würden deshalb in die Schweiz kommen.
SP-Nationalrat Fabian Molina weisst darauf hin, dass die Schweiz «massiv auf die Zuwanderung angewiesen ist». In der Stadt Zürich würden die Tramfahrer fehlen, erinnert er. Bei der Zuwanderung habe der Bundesrat Ausnahmen herausgeholt. Er fordert aber Massnahmen beim Lohnschutz. Er fordert «Leadership» vom Bundesrat.
Erzinger von Kompass Schweiz sagt, dass es keine Freizügigkeit brauche, um Leute anzustellen.
Molina erinnert an den Brexit, der zu einer «wirtschaftlichen Krise» geführt habe.
Heer: «Die Schweiz hat nichts zu sagen.»
Alfred Heer nennt das Schiedsgericht ein «Scheinverfahren». «Die müssen den EU-Gerichtshof fragen.» Die Schweiz könne zudem beim EU-Recht nicht mitnehmen. Heer wirft Rühl vor, sie «solle mal den Staatskundeunterricht besuchen».
Sie kontert und verweist auf das «Decision Shaping», wo die Schweiz zumindest beim EU-Recht mitreden kann – wenn auch nicht mitstimmen. «Das ist nicht nur eine leere Hülse. Die Schweiz sitzt am Tisch!» Rühl weisst auch darauf hin, dass die Schweiz nicht nur mit der EU Verträge abschliesst, sondern auch mit anderen Staaten.
Die Schweiz sei umgeben von europäischen Staaten, sagt Fabian Molina. «Dieses Erfolgsmodell müssen wir auf eine solide Basis stellen.» Die Schweiz könne weiterhin ihre eigenen Gesetze machen. Nun müsse sich auch die Wirtschaft bewegen. Er weisst auf die innenpolitischen Verhandlungen hin, die noch nicht abgeschlossen sind.
Erzinger fordert «Nüchternheit». Der Vertrag sei nicht auf Augenhöhe. Er spricht von «level playing field».
Profitieren die Unternehmen?
Kompass-Geschäftsführer Erzinger kritisiert Monika Rühl. «Ich kann ihnen sagen, wenn sie den Text lesen, haben sie die gleichen institutionellen Fesseln wie vorher.» Es sei «kein guter Vertrag». Erzinger kritisiert unter anderem die 350 Millionen Franken Kohäsionszahlungen. Die Unternehmen hätten keinen Benefit.
Economiesuisse-Präsidentin Rühl kontert. «Ich muss feststellen, sie wollen die Bilateralen III nicht, das ist widersprüchlich.» Die dynamische Rechtsübernahme würde nur für wenige Abkommen gelten. Auch das Schiedsgericht könnte der Schweiz helfen.
Economiesuisse-Rühl: «Es sieht gut aus.»
Economiesuisse-Präsidentin Monika Rühl lobt das Verhandlungsergebnis. «Wir brauchen gesicherte Beziehungen mit unserem wichtigsten Handelspartner.» Der bilaterale Weg habe sich bewährt.
Bisher war Economiesuisse eher skeptisch. «Wenn der Bundesrat heute sagt, dass das Verhandlungsmandat erfüllt ist, ist das ein wichtiges Zeichen.» Man wolle die definitiven Texte sehen. Aber: «Es sieht gut aus.» Man müsse nun die Mitglieder abholen, dafür brauche es eine Konsultation.
Kompass-Erzinger: «Vorweihnachtliche Augenwischerei»
Kompass-Geschäftsführer Philip Erzinger betont, man wolle ein Abkommen auf Augenhöhe. «Das ist hier nicht der Fall.» Er spricht von «vorweihnachtlicher Augenwischerei». Schon heute habe man den Marktzugang. «Wir plädieren dafür, keine institutionelle Anbindung zu haben»
SP-Molina: Stabilität ist zentral
SP-Nationalrat Fabian Molina kontert. Stabile Beziehungen mit der EU seien wichtig. Es sei nur ein erster Schritt, als zweiten Schritt müsse man nun die innenpolitischen Massnahmen verabschieden.
Der Bundesrat und die EU-Kommission haben heute die Resultate der Verhandlungen für die Weiterführung der bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU präsentiert. Die Reaktionen der Parteien, der Wirtschaft und der Gewerkschaften liessen natürlich nicht auf sich warten. In einer Sondersendung von Blick TV diskutieren Spitzenpolitiker der SVP, der SP und Wirtschaftsvertreter mit Moderator Benjamin Fisch.
Es sind dies:
- Alfred Heer (Nationalrat, SVP, ZH)
- Fabian Molina (Nationalrat, SP, ZH)
- Monika Rüh (Präsidentin Economiesuisse)
- Philip Erzinger (Geschäftsführer Kompass Initiative)