Hoppla! Das dürfte einer der frechsten Anträge im Schweizer Politikbetrieb sein. Da empfiehlt der Gemeinderat von Thayngen SH seinem eigenen Gemeindeparlament doch tatsächlich, sich gleich selber abzuschaffen. Das geht aus der Traktandenliste des Einwohnerrats für seine Sitzung vom 25. August hervor.
Böse Zungen könnten behaupten: Für eine Exekutive ist es schliesslich auch nicht immer besonders angenehm, wenn ihr eine Legislative auf die Finger schaut.
Der fünfköpfige Gemeinderat ist allerdings nicht selber auf die Idee gekommen. Auslöser ist eine Initiative aus SP-Reihen, die mit 161 Unterschriften nur knapp zustande gekommen ist. Sie fordert die Abschaffung des 15-köpfigen Einwohnerrats in der 5700-Seelen-Gemeinde und gleichzeitig die Wiedereinführung einer Gemeindeversammlung.
Nicht nötig, aber wünschenswert
In seiner Stellungnahme an den Einwohnerrat kommt der Gemeinderat nun zum wenig schmeichelhaften Schluss, dass es das Gemeindeparlament tatsächlich nicht braucht. Es soll seine eigene Auflösung in die Wege leiten: «Der Gemeinderat begrüsst mehrheitlich die Stossrichtung der vorliegenden Initiative und beantragt dem Einwohnerrat die Zustimmung.»
Zwar bestätigt der Gemeinderat, dass sich der Einwohnerrat bewährt habe und die Zusammenarbeit zwischen Exekutive und Legislative im Grossen und Ganzen funktioniere. Eine Änderung der Organisationsform sei daher nicht notwendig.
Für den Thayngner Gemeinderat aber ist sie offensichtlich wünschenswert. Für mittelgrosse Gemeinden sei eine Gemeindeversammlung ja auch eigentlich der Normalfall, gibt der Gemeinderat zu bedenken. Auch biete sie ein grösseres Mitspracherecht und verkörpere eine direktere Form der Demokratie.
Widerstand aus dem Einwohnerrat
Im Einwohnerrat selber kommt die Empfehlung des Gemeinderats nicht sonderlich gut an. «Der Gemeinderat sieht für sich mehr Kompetenzen, schnellere Wege und einfachere Erledigungen der Geschäfte ohne den Einwohnerrat», wird Einwohnerratspräsidentin Karin Kolb (FDP) in den «Schaffhauser Nachrichten» zitiert. Selber will sie sich für den Erhalt des Gremiums einsetzen.
Auch glaubt Kolb, dass die Stimmbevölkerung das Gemeindeparlament eher behalten will. «Im Einwohnerrat sind alle Parteien vertreten, und damit wird die politische Gesinnung der Bevölkerung gut abgebildet», sagt sie. Auch würden sich die Ratsmitglieder intensiver mit den Geschäften befassen als die meisten Einwohner, was ebenfalls für den Erhalt des Einwohnerrats spreche.
Kommt hinzu: Schweizweit nimmt die Beteiligung der Einwohner an Gemeindeversammlungen tendenziell ohnehin ab. (dba)