Der Graben zieht sich mitten durch die Parteien: In der CVP wie in der FDP, ja selbst in der SVP gibt es Politiker, die sich für die Konzernverantwortungs-Initiative (Kovi) aussprechen. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der Wirtschaft; sie ist ebenfalls in zwei Lager gespalten. Im Zentrum steht dabei die Frage, welche Auswirkungen die Initiative auf die KMU hätte.
«Praktisch keine», ist Rudolf Schmid (65) überzeugt. Er ist Teilhaber einer Firma für Industrieelektronik, die spezialisierte Geräte für den Maschinenbau herstellt – und ein klarer Befürworter der Vorlage. Der Berner stört sich daran, dass die Gegner der Initiative stets die KMU in den Fokus rückten. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gewerbebetriebe und kleine Unternehmen betroffen sein werden», sagt der langjährige Entwicklungsleiter, «das ist nicht das Ziel der Initiative.»
Er führt das am Beispiel seiner eigenen Firma aus: «Die Komponenten für unsere Produkte sind meist Katalogware und die Zulieferer mehrheitlich Schweizer Unternehmen.» Auch beziehe man keine kritischen Rohstoffe aus dem Ausland.
«Absoluter Stumpfsinn!»
Die Angst einiger Firmen vor viel Bürokratie führt Schmid auf die negativen Erfahrungen anlässlich der Kongokrise 2013 zurück. «Damals mussten wir einen schriftlichen Ursprungsnachweis für das von uns verwendete Zinn erbringen. Es entstand eine Kettenreaktion über die gesamte Wertschöpfungskette bis zurück zur Zinngrube. Absoluter Stumpfsinn!», ruft Schmid aus.
Da die Initiative aber direkt auf den Ort eines Unrechts ziele und nur eine Sorgfaltspflicht fordere, ändere sich für die meisten Firmen nichts, ist der Elektroingenieur überzeugt.
Mehr Auflagen durch die EU
Auch sonst relativiert Schmid den Einfluss der Initiative auf die KMU. «In der Elektronikbranche hatten wir in den vergangenen 15 Jahren aufgrund von EU-Richtlinien fortlaufend strengere Auflagen für den Umweltschutz zu erfüllen.» Das hätten die Unternehmen klaglos akzeptiert, um weiterhin in EU-Länder liefern zu können.
«Und jetzt, wo es um die Menschenrechte geht statt um das eigene Portemonnaie, sollen neue Forderungen auf einmal ein Problem sein?», fragt der 65-jährige rhetorisch. Absurd sei das, zumal der Aufwand für eine allfällige Sorgfaltsprüfung bedeutend kleiner sei als für die Erfüllung dieser EU-Forderungen. Sein Fazit: «Wenn wir die Menschen oder die Umwelt ausbeuten, um Geld zu machen, dann setzen wir die falschen Prioritäten.»
Eine Firma, zwei Meinungen
Allerdings gehen die Meinungen innerhalb der Firma auseinander. So lehnt sein Geschäftspartner die Initiative ab, weshalb sich Schmid mit ihm darauf geeinigt hat, den Namen der Firma nicht in der Zeitung zu nennen. «Als Unternehmen sind wir politisch neutral», erklärt Schmid.
Adrian Schoop (35) hat es diesbezüglich einfacher. Seine Firma Soba Inter in Baden AG führt er als alleiniger Chef; das Unternehmen hatte einst sein Grossvater gegründet und zählt heute 200 Mitarbeiter. Soba Inter produziert Fugendichtbänder, ein hochspezialisiertes Produkt für die Baubranche, und vertreibt es in Kanada, Indien, Irland.
Grosse lassen Kleine bezahlen
Anders als Schmid ist Schoop überzeugt, dass die Kovi für seine Firma durchaus Folgen hätte. Ein Dorn im Auge ist ihm just die Sorgfaltsprüfung: Gemäss dieser müssen Unternehmen sicherstellen, dass bei sämtlichen Geschäftsbeziehungen keine international anerkannten Menschenrechte und Umweltstandards verletzt werden.
«Selbstverständlich stellen wir sicher, dass unsere Geschäftspartner diese Standards einhalten», sagt Schoop. «Aber wir können nicht von ihnen verlangen, dass sie ebenfalls sämtliche Zulieferer überprüfen.»
Am Ende laufe die Bestimmung darauf hinaus, dass seine eigene Firma die Risiken übernehmen müsse für das, was weiter oben oder unten in der Lieferkette passiert, meint Schoop. «Wobei wir keine Möglichkeit haben, das zu kontrollieren.»
Baubranche nicht im Fokus
Allerdings hält der Initiativtext auch fest, dass Sorgfalt dort geboten ist, wo Menschenrechte und Umweltstandards bekanntermassen verletzt werden. In Minen zum Beispiel. Die Fugendichtbänder, die Soba Inter verkauft, kommen dagegen auf dem Bau zum Einsatz; bei der Errichtung eines internationalen Hotels in Kolumbien etwa.
Überdies hält die Initiative fest, dass bei der Regelung der Sorgfaltspflicht auf die Bedürfnisse von KMU Rücksicht genommen werden solle.
Angst vor Bürokratiemonster
Schoop aber, der neben seiner Unternehmenstätigkeit als FDP-Grossrat politisiert, bleibt dabei: «Die Sorgfaltsprüfung würde auch uns treffen und einen grossen bürokratischen Aufwand mit sich bringen.»
Er geht davon aus, dass er in Kanada, wo eine lokale Firma die Produkte seines Unternehmens exklusiv auf dem amerikanischen Kontinent vertreibt, eine Person alleine damit beauftragen müsste, vertiefte Audits bei Geschäftspartnern durchzuführen.
Zudem, sagt Schoop, führe die Initiative durch das ständige Klagerisiko zu grosser Rechtsunsicherheit. «Wenn es auf einer Grossbaustelle in Kolumbien zu einem Brand kommt und Menschen sterben, weil keine Fluchtwege signalisiert wurden, könnten wir dafür verantwortlich gemacht werden», glaubt Schoop.
«Haftungsrisiko unwahrscheinlich»
Rechtsprofessorin Tanja Domej widerspricht. «Ein Haftungsrisiko aufgrund der Initiative scheint mir in der beschriebenen Konstellation äusserst unwahrscheinlich», sagt sie. Die Haftungsregelung beziehe sich nur auf kontrollierte Unternehmen.
Bei der Sorgfaltspflicht müsste das Parlament die Hochrisikobranchen im Fall eines Ja zur Initiative noch definieren, wobei der Verkauf von speziellen Baumaterialien laut Domej «eher nicht» darunter fällt. «Insofern dürfte die Firma gute Aussichten haben, von der Sorgfaltspflicht von vornherein ausgenommen zu werden.»
Unternehmer Schoop bleibt indes bei seiner Meinung und plädiert stattdessen für den Gegenvorschlag.
Dieser sieht zwar ebenfalls verschärfte Sorgfaltspflichten vor, beschränkt diese aber auf die Bereiche Kinderarbeit und Konlifktmineralien. «Das ist für die Firmen berechenbarer», meint Schoop.