Parmelins Kehrtwende
So flog die Umwelt aus der Agrarpolitik

2020 präsentierte Guy Parmelin eine neue Agrarpolitik mit vielen Umweltmassnahmen. Jetzt kommt die Vorlage ins Parlament – und die Massnahmen sind weg.
Publiziert: 05.03.2023 um 18:56 Uhr
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Aktualisiert: 06.03.2023 um 14:13 Uhr
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Markus Ritter, Präsident des Bauernverbands, ist zufrieden mit der neuen Agrarpolitik.
Foto: Keystone
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Danny SchlumpfRedaktor SonntagsBlick

Im Februar 2020 legte Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63) eine wuchtige Botschaft zur Schweizer Agrarpolitik auf den Tisch: «Die Effizienz der Betriebe wird gestärkt und die Umweltbelastung sowie der Verbrauch von nicht erneuerbaren Ressourcen weiter reduziert.»

Dafür sah Parmelin diverse Massnahmen für den Umweltschutz vor. In der neuen Agrarpolitik 22+ sollten die Tragfähigkeit der Ökosysteme und der Gewässerschutz Berücksichtigung finden, die Biodiversität gefördert und Nitratbelastungen reduziert werden.

Kommende Woche beugt sich das Parlament über die Vorlage. Doch die sieht jetzt ganz anders aus: Die Umweltmassnahmen sind verschwunden – gestrichen vom Bundesrat, der sie 2020 vorgeschlagen hatte. Was ist passiert?

Bauern setzen sich durch

2020 kritisierte der Bauernverband Parmelins Vorschläge massiv – und überzeugte mit seiner Kritik das Parlament. Dieses sistierte die Beratungen zur Agrarpolitik und verlangte vom Bundesrat ein neues Konzept. Parmelin verstand den Wink mit dem Zaunpfahl und speckte die Vorlage massiv ab.

Damit sind die Umweltmassnahmen raus. Parmelins Departement verweist stattdessen auf die Umsetzung einer parlamentarischen Initiative, die «ein umfassendes Paket zur Reduktion der Pflanzenschutzmittelrisiken und der Nährstoffverluste» enthalte.

Dieses Paket ersetzt die gestrichenen Massnahmen allerdings nicht. Ist es ein Feigenblatt? Mitte-Nationalrat Markus Ritter (55), Präsident des Bauernverbands, widerspricht: «Die Umsetzung der Initiative ist ein riesiges Umbauvorhaben, das ein breites Spektrum an Umweltmassnahmen abdeckt.»

Noch besser für die Bauern: Die Chancen stehen gut, dass das Parlament eine Motion der ständerätlichen Wirtschaftskommission gutheisst, die den Fokus weg von der Agrar- und hin zur Ernährungspolitik lenken will. Heisst: Die Politik soll künftig nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch Händler und Konsumenten ins Visier nehmen. «Der grösste Treiber der Landwirtschaft ist der Konsum», sagt Markus Ritter. «Dieser macht im Durchschnitt 80 Prozent des Umsatzes der Bauern aus. Nur 20 Prozent gehen auf das Konto von Direktzahlungen.»

Bürgerliche wollen den Landwirten noch mehr entgegenkommen

Klimavorschriften waren in der Agrarpolitik 22+ von Anfang an kein Thema. Und das sei auch richtig so, sagt Ritter. «Die Landwirtschaft ist Teil der Gesellschaft und von generellen Massnahmen genauso betroffen.» Als Beispiel nennt er die geplante Solarpflicht für Gebäude mit mindestens 300 Quadratmetern Grundfläche. «Das betrifft praktisch alle Landwirtschaftsbetriebe.» Im Klimabereich sei eine Spezialgesetzgebung für die Landwirtschaft darum gar nicht nötig.

Auslagerung der Umweltmassnahmen, Fokus auf die gesamte Wertschöpfungskette, keine Klimavorschriften – die Agrarpolitik 22+ kommt den Bauern stark entgegen. In der vorbereitenden Kommission gab es von bürgerlicher Seite denn auch nur einen Einwand: Die Rolle der Umweltverbände müsse stärker eingeschränkt werden.

Die wiederum sind über die Entwicklung der Schweizer Agrarpolitik nicht erfreut: «Der Bundesrat hat eine Kehrtwende zulasten der Umwelt vollzogen», sagt Jonas Schmid (41) von WWF Schweiz. «Dass er seine eigenen Vorschläge wieder gestrichen hat, erstaunt uns sehr.»

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