Rund sechs Millionen Menschen sind den Gräueln des Nationalsozialismus zum Opfer gefallen. Männer, Frauen, Kinder. Diese Katastrophe drohe in Vergessenheit zu geraten, denn die Zahl der Zeitzeugen werde immer kleiner, sind der Zürcher SVP-Nationalrat Alfred Heer (59) und der Zürcher SP-Ständerat Daniel Jositsch (55) überzeugt: «Gleichzeitig ist es unbestritten, dass die Erinnerung aufrechterhalten werden muss.»
Nun fordern die beiden Parlamentarier den Bundesrat in zwei gleichlautenden Vorstössen auf, einen nationalen Ort der Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus zu schaffen. Ein solcher fehlt in der Schweiz bis heute.
Auch viele Schweizer waren damals direkt betroffen
«Auch künftige Generationen müssen wissen, was geschah, damit sie ein Bewusstsein dafür entwickeln können, wie fragil Demokratie und Rechtsstaat sind und wozu Rassismus und Diskriminierung führen können», begründen Heer und Jositsch. Die Unterstützung im Parlament ist gewaltig! Allein im Nationalrat haben über 100 Mitglieder den Vorstoss unterzeichnet, inklusive aller Fraktionspräsidien.
Auch Schweizer und hier Geborene wurden Opfer der «menschenverachtenden» Nazi-Politik. Gegen 1000 wurden in Konzentrationslagern inhaftiert. 468 von ihnen haben den Holocaust nicht überlebt. Daneben soll auch der an der Schweizer Grenze Abgewiesenen gedacht werden, genauso wie jener, die sich dem Nationalsozialismus beherzt entgegenstellten oder sich für Verfolgte einsetzten.
Ein Herzenswunsch könnte in Erfüllung gehen
Damit könnte für alt SP-Nationalrat Remo Gysin (76) ein Herzenswunsch in Erfüllung gehen. Der Präsident der Auslandschweizer-Organisation kämpft seit Jahren für einen offiziellen Erinnerungs- und Vermittlungsort für die Opfer des Nationalsozialismus.
Für Gysin und seine Mitstreiter ist klar, dass das Mahnmal in Bern stehen soll. Die Bundesstadt sei zentral und stehe symbolisch für die offizielle Schweiz, erklärt er gegenüber dem «Tages-Anzeiger».
Zum möglichen Kostenrahmen wollten sich die Verantwortlichen noch nicht äussern. Wie der Schweizerische Israelitische Gemeindebund auf seiner Internetseite schreibt, solle die neue Gedenkstätte aber vom Bund finanziert und getragen werden – allenfalls mit Unterstützung der Kantone und Gemeinden.
Bundesrat ist «aufgeschlossen»
Beim Bundesrat könnte das Anliegen durchaus offene Türen einrennen. Heer und Jositsch erinnern in ihren Vorstössen an die Worte von Bundespräsident Guy Parmelin (61) in der offiziellen Botschaft der Landesregierung zum internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts vom Januar: «Der Opfer gedenken, neuen Gräueltaten vorbeugen.»
Zudem hat der Bundesrat schon 2019 festgehalten, dass die zuständigen Bundesstellen einem solchen Vorschlag aufgeschlossen gegenüberstünden. Sobald die Projektidee konkreter ausgestaltet sei, werde der Bund seine Unterstützung präziser bestimmen können. Das dürfte schon bald der Fall sein, betonen Jositsch und Heer. In den nächsten Wochen wollen die Initianten einer Gedenkstätte ihr Konzept vorstellen. (dba)