Mitten in der Corona-Krise, am 5. Dezember 2020, wendet sich Bundesrätin Viola Amherd (60, Mitte) in einer Videobotschaft an die Bewohnerinnen und Bewohner von Mitholz BE: «Wir haben beschlossen, die Gefahr ein für alle Mal zu beseitigen.»
Die Gefahr, von der die VBS-Vorsteherin sprach, lauert im Berg. Hinter einer Felswand, seit 75 Jahren. Im Dezember 1947 kam es dort zu einer gewaltigen Explosion, 3000 Tonnen Munition der Schweizer Armee detonierten – Fliegerbomben, Granaten, Tretminen. 70 Meter hohe Flammen schossen in den Nachthimmel, wie Zeitzeugen berichten, auf die Höfe regnete es Asche. Neun Menschen kamen bei der Katastrophe ums Leben, sieben wurden schwer verletzt.
Rückstände sollen beseitigt werden
Hunderte Tonnen Sprengstoff lagern noch immer im Berg und im Gelände davor. Diese Rückstände sollen nun endlich beseitigt werden.
Zu gross ist das Risiko durch kontaminiertes Wasser, das im Gestein versickert. Zu gross ist das Risiko einer weiteren Explosion. Der Bund ist bereit, 2,6 Milliarden Franken für die Bewältigung dieser Jahrhundertaufgabe auszugeben. Diese Bürde dürfe man nicht künftigen Generationen überlassen, sagte Amherd in ihrem Video. Das bedeute aber auch, dass ein Teil der Mitholzer ihre Heimat verlassen müssten. Nach 2030 sollen die Arbeiten beginnen.
Der SVP-Nationalrat Mauro Tuena (51) hat sich mit diesem Plan noch nicht ganz abgefunden: «2,6 Milliarden Franken sind enorm viel Geld.» Der Zürcher präsidiert die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats (SiK), die am Montag in einer Woche Expertinnen und Experten zu einer Anhörung eingeladen hat, darunter einen Oberst, eine Mitholz-Projektverantwortliche und einen ETH-Geostatiker
Tuena will Überdeckung
Tuena will wissen: «Gibt es eine Alternative zur Räumung?» Das Explosionsrisiko sei nicht mehr so hoch wie ursprünglich angenommen, behauptet er, die Zeit dränge nicht. Tuena liebäugelt mit der Variante einer Übderdeckung. Die sieht das VBS bisher nur als Plan B vor – für den Fall, dass die Räumung aus Sicherheitsgründen nicht möglich sein sollte.
Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter (42) rechnet mit einer kontroversen Diskussion. Neben der Sicherheitspolitischen Kommission, der die Zürcherin angehört, hat sich auch die Finanzkommission mit der Mitholz-Frage beschäftigt. Wenn es nach Schlatter geht, müsste das VBS für die Kosten aufkommen. «Ich sehe nicht ein, weshalb die Armee nicht für die Räumung bezahlen soll – ganz im Sinne des Verursacherprinzips.»
Schutzanzüge waren nötig
Vor ein paar Wochen besichtigten SiK-Mitglieder den Mitholzer Stollen. Dazu mussten die Parlamentarierinnen in weisse Schutzanzüge steigen und Atemmasken tragen. Probearbeiten im Gestein hatten giftige Schwermetalle freigelegt. Wohin das kontaminierte Material vom Wasser getragen wird, kann heute noch niemand genau sagen.
Deshalb sei eine Überdeckung auch keine Lösung, sagt Schlatter. «Natürlich ist die Rechnung gigantisch, aber diese Kröte müssen wir wohl einfach schlucken.»