Seit zwei Jahren ist in der Schweiz ein neues Steuerregime für Unternehmen in Kraft. Es musste angepasst werden, weil international nicht mehr akzeptiert wurde, dass Konzerne in der Schweiz weniger Steuern zahlen. Und nun steht der Schweiz schon die nächste Korrektur ins Haus – erneut auf internationalen Druck der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Diese drängt vorerst auf eine weltweite Angleichung der Gewinnsteuersätze. Mindestens 15 Prozent sollen international tätige Unternehmen zahlen, wenn sie mehr als 750 Millionen Euro Umsatz im Jahr machen. Gemäss Schätzungen des Bundes werden zwischen 200 und 300 Schweizer Firmen sowie rund 2000 bis 3000 ausländische Tochterfirmen von dieser Säule der Reform betroffen sein.
OECD drückt aufs Gas
Und es muss schnell gehen: 2024 müssen die neuen Regeln in Kraft treten – dabei ist nicht mal genau klar, wie sich die OECD das genau vorstellt. 15 Prozent – das ist klar. Aber auf was? Noch weiss niemand genau, was die Bemessungsgrundlage sein soll.
Zur Schweiz mit ihrem langsamen Gesetzgebungsprozess – es muss ja nicht nur das Parlament Ja sagen, sondern eventuell auch das Volk – passt dieses Tempo gar nicht. Der Bundesrat hat sich daher für einen unüblichen Weg entschieden: Er wird Parlament und Volk vorerst nur eine Verfassungsänderung vorlegen. Diese ist nötig, weil die Schweiz in Zukunft unterschiedliche Unternehmen unterschiedlich besteuern will: Für jene meist KMU, die nur in der Schweiz tätig sind, ändert sich nichts. Nur die Multis oder deren Schweizer Töchter sollen mehr bezahlen. Die Abstimmung darüber wird am 18. Juni 2023 stattfinden.
Was, wenn das Volk Nein sagt?
Gestützt auf die Verfassungsänderung will der Bundesrat das Steuerregime zunächst auf Verordnungsebene ändern. Dazu braucht er das Parlament nicht. Erst später sollen die betroffenen Gesetze geändert werden. Maurer versprach jedoch, dass es schnell gehen soll.
Nur: Was wenn das Volk Nein zum Diktat der OECD? Dann, so Finanzminister Ueli Maurer (70) würden hunderte Millionen von Steuereinnahmen und zehntausende Arbeitsplätze verloren gehen. «Ein Nein können wir uns schlicht nicht leisten», warnte Maurer unverblümt. Denn die Konzerne würden nicht warten, bis die Schweiz sich an die internationalen Spielregeln hält.
20 Kantone werden mehr einnehmen
Für die Schweiz ist die Reform auch kein schlechter Deal: In etwa 20 Kantonen dürften nach der Reform die Steuereinnahmen steigen. Allerdings warnte Maurer vor allzu grossen Freudensprüngen: Die Schweiz verliere durch höhere Steuern einen Standortvorteil. Und dann kämen die Nachteile eher zum Tragen, allen voran das hohe Lohn- und Preisniveau. Löhne, Mieten, Krankenkassen-Prämien – das alles seien Kosten, die nicht mehr durch tiefe Steuern aufgewogen werden können.
Was wiederum heisst, dass die Kantone den Unternehmen anderweitig entgegenkommen müssen – über Abzüge oder Subventionen. Jeder Kanton werde selbst entscheiden, welche Instrumente passend seien, sagte der Schwyzer Finanzdirektor Kaspar Michel (51). Seine Genfer Amtskollegin Nathalie Fontanet (57) geht allerdings davon aus, dass es keine zu grossen Unterschiede geben werde.
Und auch der Bund werde noch mehr unternehmen, um die Standortattraktivität zu erhöhen – die Abschaffung der Emissionsabgabe, über die am 13. Februar abgestimmt wird, sei ein Beispiel dafür. Maurer stellte auch in Aussicht, dass andere Dinge wie etwa die Drittstaatenkontingente erhöht werden könnten. (sf)