Bernd Schildger (65) ist tiefenentspannt. «Wir kennen das mit dem Öffnen ja schon», sagt der Direktor des Tierparks Dählhölzli in Bern, während er Blick durch das noch geschlossene Vivarium führt. Er bereitet bereits die vierte Corona-Wiedereröffnung vor.
Viel zu tun gebe das nicht, sagt er. Ein paar Scheiben putzen, Abstands-Kleber und Einbahnschilder anbringen. Da pro Gast zehn Quadratmeter zur Verfügung stehen müssen, wird der Zugang zu den Innenanlagen begrenzt. «Ins Vivarium dürfen 55 Besucher», so Schildger. «Der Rest muss draussen in der Schlange warten.» Doch auch darum macht er sich keine Sorgen. Er erlebe die Menschen seit der Pandemie gelassener und rücksichtsvoller.
Zoos sind gut vorbereitet
Schlangen wird es auch vor den Tierhäusern im Zoo Basel geben, aber vor allem am Wochenende, schätzt Sprecherin Tanja Dietrich. «Wir haben bereits Zählsysteme an den Eingängen der Tierhäuser installiert. Damit können wir die Besucherströme kanalisieren.» Wer Schlangestehen verhindern will, solle besser die Rushhour zwischen 11 und 15 Uhr meiden – oder einfach einen Abstecher ins Zoo-Restaurant machen, wo die Terrasse geöffnet wird.
Und wie werden die Tiere reagieren, wenn sie nach Wochen wieder richtig viele Menschen sehen? «Unsere Tiere haben uns bei jeder Wiedereröffnung verblüfft», sagt Schildger. Spätestens nach ein paar Stunden hätten sie sich an das Gewusel gewöhnt. «Unsere Affen freuen sich regelrecht auf die Besucher, und auch die Fische reagieren positiv», sagt er und tritt wie zum Beweis nah an das Aquarium, wo sofort mehrere Augenfleck-Kammbarsche angeschwommen kommen.
Vorhang auf für Premieren!
Die Zoos sind vorbereitet auf den am Mittwoch vom Bundesrat beschlossenen Öffnungsschritt. Andere hat die Landesregierung völlig überrascht. «Damit hat keiner gerechnet», sagt Nicole Konstantinou vom Kulturbetrieb Kaserne in Basel. «Aber wir freuen uns, wieder loslegen zu können!»
Damit hat die Regierung ein emsiges Treiben ausgelöst. Land auf, Land ab haben sich Kulturschaffende am Donnerstag zu Planungssitzungen getroffen. Möglichst rasch wollen sie ihre Programme wieder starten.
«Wir haben ständig geprobt und können daher gleich loslegen», sagt Mavi Behramoglu vom Theater Basel. Das Haus öffnet seinen Vorhang am kommenden Donnerstag für die Premiere von Richard Strauss' Komödie «Intermezzo». Noch am selben Tag feiert das Schauspiel «Philoktet» Premiere.
Das Theater Basel will rasch sein Vollprogramm aufnehmen – selbst wenn jeweils nicht mehr als 50 Zuschauer erlaubt sind.
«Wir sind geübt darin, flexibel zu sein»
Auch Viktor Giacobbos (69) Casinotheater in Winterthur ZH will seine Türen bereits am Montag wieder öffnen. Gestartet wird mit der Produktion «Rampensau», moderiert von Comedian Joël von Mutzenbecher (33). «Dieser Termin war glücklicherweise bereits provisorisch so geplant», so Sprecherin Steffi Carolino. «Mittlerweile aber haben wir ohnehin Übung darin, flexibel zu sein und alle Eventualitäten einzuplanen.»
Das Konzerttheater Bern zeigt ab Dienstag Produktionen aus allen vier Sparten Schauspiel, Tanz, Musiktheater und Orchester.
Auch die Basler Kaserne startet bereits nächste Woche mit einer Theaterpremiere. Bei den Konzerten wird es sicher Mai. «Reisen Künstlerinnen und Künstler aus dem Ausland an, müssen wir nun die Einreisebestimmungen beachten», gibt Sprecherin Konstantinou zu bedenken.
Beizer fühlen sich unter Druck gesetzt
Endlich mal wieder in einer Gartenbeiz sitzen: Die Freude bei der Bevölkerung ist gross! Im Fischer's Fritz am Zürichsee wurde am Donnerstag schon die Gartenwirtschaft aufgemöbelt. Aber nicht jedes Lieblingsrestaurant wird wieder offen sein. Unter Gastronomen ist man sich uneins, ob man überhaupt öffnen soll. Viele fühlen sich unter Druck gesetzt. Einerseits wollen sie ihren Gästen das Feierabendbier und das Znacht ermöglichen, andererseits ist es für viele nicht rentabel, die Terrasse zu öffnen.
Wer die Mitarbeiter aus der Kurzarbeit holt, muss deren Lohn aus eigener Tasche bezahlen. Zudem ist der Einkauf schwierig zu planen. Niemand weiss genau, wie viele Gäste zu erwarten sind – zumal bis Ende April nicht wirklich Gartenwetter angesagt ist.
«Es würde mich nicht überraschen, wenn noch viele Restaurants geschlossen bleiben», sagt Maurus Ebneter, Präsident des Wirteverbands Basel-Stadt. Ähnlich tönt es in Thurgau, Zug und anderen Kantonen.
«Alle sind froh, endlich wieder was zu tun»
Anders sieht das Stefan Ruprecht (52), Geschäftsführer der Dampfzentrale in Bern. «Wir leben von der Terrasse.» Am Donnerstag putzte das Team Tische und Stühle. «Am Freitag machen wir die Arbeitspläne und den Einkauf», sagt Ruprecht. Alle seine 18 Mitarbeiter werden aus der Kurzarbeit geholt. «Alle sind froh, endlich wieder was zu tun!»
Der Einkauf ist eine besondere Knacknuss: «Wir kaufen nur noch für ein, zwei Tage ein», sagt der Chef. «Wenn die Wetterprognose schlecht ist, machen wir gar nicht erst auf.» Das Speiseangebot ist etwa um die Hälfte reduziert. Auch die Terrasse ist nur zur Hälfte bestuhlt. «Wenn wir merken, dass die Gäste kommen, werden wir die Terrasse vergrössern.» Die Stadt Bern machts möglich: Ab 19 Uhr ist der Aareweg für Passanten geschlossen, und dann darf Stefan Ruprecht den Platz für seine Tische nutzen.
«Gross verdienen werden wir nicht»
«Wir werden aufmachen, aber die Mitarbeiter in Kurzarbeit lassen», sagt Ruedi Spillmann (50). Er führt gemeinsam mit seiner Frau Ina Spillmann (44) seit 20 Jahren den gutbürgerlichen Weiherhof in Basel. «Meine Frau und ich müssen halt die Arme hochkrempeln.»
Das Paar lebt von der Stammkundschaft. «Es haben schon zehn Gäste angerufen, um zu reservieren», sagt er. «Gross verdienen werden wir sicher nicht», sagt er. Trotzdem will Spillmann seine Terrasse öffnen. Er fürchte sich vor Vorwürfen wie diesen: «Jetzt können sie auftun, aber tun es nicht.» Das wolle er nicht hören.
Städte zeigen sich flexibel
Das zeigt: Die Furcht vor der Kritik der Gäste ist gross. «Die Gastronomen haben Angst, an den Pranger gestellt zu werden, wenn sie jetzt nicht öffnen», sagt auch Erich Barth, Generalsekretär von Gastro Zug.
Anhand der Grösse der Terrasse entscheidet sich meist, wer öffnet und wer nicht. Die einen liegen mit einer grossen Terrasse am See oder an einem Touristen-Hotspot. «Die freuen sich über die Öffnung», sagt Urs Kohler, Direktor Gastro Aargau. «Die Restaurants in der Stadt mit kleinen Terrassen hingegen weniger.»
Immerhin sind die Kantone und Gemeinden den Beizern wohlgesinnt: Fast in allen angefragten Kantonen dürfen die Gastronomen ihre Bestuhlung auf öffentliche Flächen ausweiten und damit ihre Terrassen vergrössern. In Basel Stadt dürfen Wirte sogar öffentliche Parkplätze bestuhlen, solange die Sicherheit gewährleistet ist.
Eine Liste, welche Restaurants offen sein werden, wird es nicht geben. «Jeder Gast muss selber schauen, ob sein bevorzugtes Restaurant offen hat», sagt Urs Kohler. Anders in Nidwalden: «Wir starten übers Wochenende eine Umfrage unter den Mitgliedern», so Nathalie Hoffmann, Präsidentin von Gastro Nidwalden. «Ab Montag können wir eine Übersicht veröffentlichen, wer offen hat.»
Maskenpflicht beim Volleyball – eher schwierig
Volleyball, Basketball, Fussball – ab Montag ist das alles in der Halle wieder möglich. «Unser Vorstands-Chat läuft gerade heiss», sagt die Präsidentin des Volleyballklubs Kriens, Bettina Caprez. Drinnen dürfen neu wieder 15 Spielerinnen trainieren – allerdings nur mit Abstand und Maske. Das sei im Volleyball schwierig.
Caprez erkundigt sich deshalb nun bei den Trainern, ob diese bereit seien, die Trainings mit mehr Kraft- und Ausdauerübungen durchzuführen. «Viele im Verein würden sehr gerne wieder auf den Platz», sagt sie. «Es geht bei uns nämlich nicht nur um den Sport, sondern auch um Freundschaften.»
Das Hallenbad bleibt geschlossen
Auch Längenschwimmen im Hallenbad ist wieder erlaubt. Allerdings gilt: Für jede Schwimmerin muss eine Wasserfläche von 25 Quadratmetern reserviert werden. Und es dürfen sich höchstens 15 Menschen ohne Maske im Bereich des Schwimmbeckens aufhalten. «Das würde uns finanziell in Schwierigkeiten bringen», sagt Reto Mattmann (48), Geschäftsführer des Hallenbads Allmend in Luzern.
Auch ökologisch mache eine Öffnung des Bads für ein paar Dutzend Menschen wenig Sinn: «Der Hallenbadbetrieb benötigt viel Wasser, Energie und Chemie.» Das Hallenbad in Luzern bleibt deshalb in Absprache mit der Stadt vorerst geschlossen. Auch für Schüler gibt es keine Schwimmkurse. «Wir würden rüdig gerne öffnen», sagt Reto Mattmann. «Aber dafür müssten wir mehr Menschen empfangen dürfen.»
Ein Zürcher Geschenk
Anders ist es 50 Kilometer weiter nördlich. Im Zürcher Seebad Utoquai hüpfen kälteresistente Badegäste bereits seit diesem Samstag wieder in den See. «Wir haben zahlreiche Stammgäste, viele schwimmen auch im Neoprenanzug », sagt Badmeisterin Barbara Bischof. Der Zürcher Stadtrat habe die Öffnung des Seebads dieses Jahr eine Woche vorgezogen, um den Menschen eine Freude zu bereiten.
Und das Geschenk scheint anzukommen: «Am Wochenende hatten wir eine Riesenschlange vor dem Bad», erzählt Badmeisterin Bischof. Denn aktuell sei nur ein Teil des Bads geöffnet. «Wir haben im Moment nur 48 Plätze zu vergeben – und die sind schnell weg!», sagt sie. Ab Samstag soll den Gästen dann das ganze Gelände zur Verfügung stehen – und die Schlange etwas kleiner werden.