Zehntausende bieten den ukrainischen Kriegsflüchtlingen ein Dach über dem Kopf, diese können auch sofort arbeiten. Solidarisch zeigen sich auch die ÖV-Unternehmen: Bis Ende Mai können die Geflüchteten Busse, Bahnen und Trams in der ganzen Schweiz gratis benutzen.
Wunderbar findet das SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (36). Und zugleich problematisch. Erstens, weil damit alle anderen Asylsuchenden benachteiligt werden – nur weil sie vor Krieg oder Verfolgung von anderswoher fliehen mussten. Das betreffe zum Beispiel auch russische Oppositionelle, schreibt Wermuth auf Facebook.
«Niemand darf sich benachteiligt fühlen»
Zweitens würden die Lebenshaltungskosten in den kommenden Monaten auch in der Schweiz steigen. Für Heizkosten, Sprit, Lebensmittel, Krankenkassenprämien. Es sei richtig, grosszügig zu den ukrainischen Kriegsflüchtlingen zu sein, sagt Wermuth zu Blick. «Die Lektion, die wir aus der Flüchtlingskrise 2015 aber lernen sollten: Niemand darf das Gefühl haben, benachteiligt zu werden. Weder Flüchtlinge aus anderen Ländern noch Einheimische.»
Um das zu verhindern, schlägt Wermuth zwei Dinge vor.
- Gratis-ÖV nicht nur für Ukrainer, sondern für alle, die es nötig haben. Konkret stellt er sich vor, dass Menschen, die beispielsweise auf Sozialhilfe oder andere staatliche Unterstützung angewiesen sind, drei Monate pro Jahr gratis Zug und Tram fahren dürfen, tageweise einlösbar. «Es ist unsinnig, Gratis-ÖV nur an den Status S zu knüpfen. Entscheidend sollten die Einkommen sein, egal ob Rentner, Flüchtling oder Familie», sagt er.
- Das Halbtax soll nur noch 100 Franken kosten. «1987 wurde der Preis des Halbtax von 360 auf 100 Franken reduziert, also um 72 Prozent. Warum nicht jetzt von 165 auf 100 Franken?», fragt er. Das wäre problemlos finanzierbar und zum Ende der Corona-Zeit ein starkes Signal an die Bevölkerung: «Gerade für den Freizeitverkehr könnte das die Attraktivität des ÖV wieder steigern, woran ja auch die Anbieter ein Interesse haben müssten.»
Keine Vergünstigung für Sprit, aber für die Heizung
Für Wermuth hat sein Vorschlag auch einen Zusammenhang mit dem abgelehnten CO2-Gesetz: Die höheren Abgaben wurden von der Bevölkerung als Strafe aufgefasst. «Also müssen wir andere Lösungen finden, beispielsweise das Angebot verbessern.» Und eine Vergünstigung des ÖV sei genau so etwas.
Nur: Die steigenden Energiepreise treffen derzeit nicht den ÖV-Benutzer, sondern jene, die aufs Auto angewiesen sind. Müsste man nicht – wie das SVP, FDP und Mitte fordern, die Mineralölsteuer senken? «Mit einer Senkung der Mineralölsteuer würde man die Kriegsgewinne der Ölkonzerne absichern, da bieten wir nicht Hand», sagt Wermuth. «Mir scheint, mit diesem Vorschlag wollen die Bürgerlichen primär ihre eigenen SUVs subventionieren.»
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Für die Kaufkraft der Schweizer Haushalte sei ausserdem nicht der Benzinpreis entscheidend. «Anders sieht es bei den Mieten aus, und da gerade bei den Heizkosten.» Da werde es Preissteigerungen geben, denen die Leute nicht ausweichen können. Hier sieht Wermuth tatsächlich Handlungsbedarf und kündigt Vorschläge in der Wirtschaftskommission an.