Nach harscher Kritik und einigem Zögern hatte der Bundesrat entschieden, die EU-Sanktion gegen Russland zu übernehmen – Ausnahmen vorbehalten. Im Rahmen des nächsten Sanktionspakets steht nun eine Sperrung der russischen Staatssender «Russia Today» (RT) und «Sputnik» zur Debatte. Im Bundesrat ist man sich aber noch nicht einig, berichtete der «Tages-Anzeiger».
Kritiker betrachten RT als Propagandakanal zur gezielten Verbreitung von Desinformation und Verschwörungstheorien. Gegründet und finanziert ist das Auslandsfernsehprogramm nämlich vom russischen Staat selbst. Auch dem Radiosender und Nachrichtenportal Sputnik wird dieselbe bewusste Verbreitung von Fake News vorgeworfen.
Die EU hat die Verbreitung der beiden Propagandakanäle im Rahmen der Sanktionen gegen Russland seit Anfang März bereits verboten. «Aussergewöhnliche Zeiten verlangen nach aussergewöhnlichen Massnahmen», sagte EU-Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova (57) dazu. «Wir alle stehen für die Redefreiheit – aber sie darf nicht zur Verbreitung von Kriegspropaganda missbraucht werden.»
Übernahme wird geprüft
Ob die Schweiz auch diesen Sanktionsschritt mitträgt, ist noch offen: «Die Übernahme der EU-Massnahmen im Medienbereich wird verwaltungsintern derzeit geprüft», schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage des «Tages-Anzeigers». Der Bundesrat werde zu gegebener Zeit darüber entscheiden.
Gegen ein Verbot von RT und Sputnik ausgesprochen hat sich das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) von Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62). Begründung: Das wäre unverhältnismässig und ein unüblicher Eingriff in die Medienlandschaft und die Meinungsäusserungsfreiheit.
Amherd gegen russische Propagandainstrumente
Diese Ansicht teilt das Verteidigungsdepartement (VBS) unter der Führung von Bundesrätin Viola Amherd (59) nicht. Bei den beiden Staatssendern gehe es nicht um Meinungsfreiheit und -vielfalt – insbesondere, da die Sender keine Medien mit kritischer Haltung und redaktioneller Unabhängigkeit seien, argumentierte das VBS in der verwaltungsinternen Konsultation. «Das sind erwiesenermassen vom Kreml gesteuerte und finanzierte Propagandainstrumente», schrieb das Department.
«Nach konsequenter Übernahme der EU-Sanktionen durch die Schweiz wäre das Abseitsstehen in dieser wichtigen Frage unverständlich.» Denn die Staatssender würden eine direkte unterstützende und manipulierende Rolle für die russische Regierung im Ukraine-Krieg spielen.
Lasse die Schweiz Desinformationskampagnen Russlands unter dem Deckmantel der Meinungs- und Informationsfreiheit zu, riskiere sie zu einem Propaganda-Hub für diese Instrumente zu werden.
RT von Telekom-Anbietern bereits gesperrt
Übernimmt die Schweiz die EU-Sanktionen gegen die Staatssender, würden deren Domainnamen gesperrt, wie das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) erklärt. Aber: Das Bakom geht davon aus, dass die Betreiber einfach ihre Domainnamen wechseln würden – die Liste der gesperrten Seiten müsste deshalb laufend überprüft werden. Auch via VPN können die Sperren leicht umgangen werden. RT verbreitet sogar Anleitungen dazu.
Swisscom, Sunrise UPC und Salt haben die Inhalte von RT bereits von sich aus aus ihrem TV-Programm gestrichen. Allerdings kann man die Programme immer noch via Internet streamen. (lm)