Wer ist Christoph Mäder (60)? Kennen Sie nicht? Damit befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Auch für die meisten Wirtschaftspolitiker im Land ist der designierte Präsident des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse ein unbeschriebenes Blatt. Das zeigt eine BLICK-Umfrage kurz nach der Bekanntgabe.
Der Verband hat den Mann, der Verwaltungsrat im Ems-Chemie-Konzern ist, im Vorstandsausschuss einstimmig vorgeschlagen. In der nächsten Sitzung soll er zum Präsidenten gewählt werden. Der Aargauer war bereits 2011 bis 2017 Vizepräsident von Economiesuisse.
Mäder folgt auf Heinz Karrer (61), der nach zwölf Jahren im Vorstand und sieben Jahren als Präsident per Ende September von seinem Amt zurücktritt. Karrer hatte seinen Rücktritt bereits Anfang Jahr bekannt gegeben.
Name löst Schulterzucken aus
Wer sich bei Wirtschaftspolitikern des Bundesparlaments umhört, stösst vor allem auf eines: Schulterzucken. Der Zürcher SVP-Nationalrat und Banker Thomas Matter (54) kennt Mäder nicht. Genauso wenig wie der Aargauer SP-Ratskollege Cédric Wermuth (34). Auch andere kennen ihn nicht.
Selbst Petra Gössi (44), Präsidentin der Wirtschaftspartei FDP, kennt Mäder nicht persönlich. Gleichzeitig aber hat sie klare Vorstellungen: «Ich erwarte von ihm, dass er gerade in Zeiten von Corona stark auf die unternehmerische Eigenverantwortung setzt.»
Dass Mäder in Bundesbern nicht verankert ist, ist sicher kein Vorteil. Schliesslich sollte der neue Verbandspräsident das Bindeglied zwischen Wirtschaft und Politik bilden.
Bedeutungslosigkeit droht weiter zuzunehmen
Fakt ist: Mit dem neuen Mann an der Spitze von Economiesuisse droht der Wirtschaftsdachverband noch weiter in der Bedeutungslosigkeit zu versinken. Eine Tendenz, die in Bundesbern schon länger für Kopfzerbrechen sorgt. Ewig her, dass der Vorort, die Vorläuferorganisation von Economiesuisse, eine bestimmende Grösse in Bundesbern war.
Schon seit Jahren versucht Economiesuisse, das Image wieder aufzupolieren und verlorenes Terrain gutzumachen – mit mässigem Erfolg. Bisheriger Tiefpunkt war die schmerzhafte Niederlage bei Minders Abzocker-Initiative 2013. Ein Hauptproblem des anhaltenden Niedergangs: Die Interessen der Economiesuisse-Mitglieder sind je länger, je weniger deckungsgleich.
Das Image, bloss die Dienerschaft der Grosskonzerne zu sein, belastet den Verband. Mit der zunehmenden Entfremdung einst urschweizerischer Konzerne, die die Globalisierung mit sich bringt, steigt die Skepsis gegenüber Economiesuisse.
Politische Nähe zur SVP?
Mäder war aus dem Vorstand von Economiesuisse zurückgetreten, weil mit der Ems-Chefin Magdalena Martullo-Blocher (50) die von ihrem Vater, alt Bundesrat und SVP-Vordenker Christoph Blocher, gross gemachte Unternehmung bereits im Verband vertreten war.
Bekanntlich hatten Martullo-Blocher und Mäder beim EU-Bildungs- und Forschungsprogramm Horizon das Heu nicht auf derselben Bühne. Gegen Mäders politische Nähe zur SVP spricht, dass der Pharma- und Chemieverband Scienceindustries unter seinem Präsidium die Kündigungs- und die Selbstbestimmungsinitiative der SVP ablehnte.
Linke stört dennoch, dass Mäder früher bei der Agrochemie-Firma Syngenta tätig war. Der Konzern steht laufend wegen seiner Pflanzenschutzmittel und gentechnisch verändertem Saatgut in der Kritik. Für eine wachsende Zahl an Kritikern ist Syngenta das grosse Feindbild, das umweltschonender und nachhaltiger Entwicklung entgegensteht.
Ob Mäder das Gesicht eines zukunftsgewandten Verbands sein kann, ist deshalb fraglich. Europapolitisch hat sich Economiesuisse unter Karrer bereits klar gegen die Kündigungs-Initiative der SVP positioniert, die nun am 27. September zur Abstimmung kommt – also vor dem Amtsantritt von Nachfolger Mäder am 1. Oktober. Hier kann er keine neuen Impulse mehr setzen. Beim Rahmenabkommen, das später zur Debatte steht, könnte er das aber sehr wohl noch.