Die Post baut die Poststellen um – und halbiert die Zahl der Filialleiter. Statt wie bis anhin für eine Filiale, sollen die neuen Chefs die Verantwortung gleich für mehrere Filialen und Postagenturen in den Dorfläden haben. Zudem dürften sie neu nicht mehr nur für 8 oder 9, sondern für etwa 15 Mitarbeiter zuständig sein.
Die grössere Verantwortung schlägt sich jedoch nicht in einem höheren Einkommen nieder, wie Betroffene BLICK informieren. Im Gegenteil: Die Filialleiter, die neu Teamleiter heissen, sollen eine Lohnklasse tiefer eingestuft werden und die Teamleiter-Stellvertreter neu noch eine Lohnklasse darunter. Damit käme man auf 500 bis gar 1000 Franken weniger Lohn, sagen Betroffene.
Die Post gibt auf Anfrage von BLICK Auskunft, Lohnfragen seien Bestandteil der aktuellen Verhandlungen mit den Sozialpartnern. Aus diesem Grund äussere sich die Post zum jetzigen Zeitpunkt nicht zur zukünftigen Entlohnung der Führungspositionen.
Man räumt aber ein, dass es sein kann, dass heutige Filialleiter oder -leiterinnen nach dem Funktionswechsel mit einer Lohneinbusse rechnen müssen. Das soll mittels Sozialplan abgedämpft werden, der nun mit den Sozialpartnern ausgehandelt werden soll.
Syndicom warnt vor grosser Verunsicherung
Die Gewerkschaft Syndicom spricht bereits von grosser Verunsicherung, die das Vorhaben der Post die Organisation des Filialnetzes umzubauen, auslöse. Sie führe einen Anlass für die Angestellten der Poststellen durch, teilt die Gewerkschaft mit. Syndicom habe im Verlauf des Projekts wiederholt auf die Schwierigkeiten bei der Umsetzung hingewiesen.
David Roth (33), bei Syndicom Zentralsekretär für Logistik, präzisiert: «Es kann nicht sein, dass die Post mit der Neustrukturierung der Poststellen versucht, ältere und teure Mitarbeiter loszuwerden.» Das zu verhindern sei der Auftrag der Gewerkschaften in den Verhandlungen mit dem gelben Riesen. «Es reicht nicht, dass irgend ein Sozialplan aufgestellt wird, damit auf diesen verwiesen werden kann. Der Sozialplan muss so ausgestattet sein, dass es für keinen Filialleiter oder Kundenberater in den Poststellen drastische Einbussen gibt.»
Und er gibt zu bedenken, dass jüngere Mitarbeitende in den Poststellen schon heute einen um viele tausend Franken tieferen Höchstlohn als altgediente Filialangestellte hätten. «Dieser Lohndeckel muss weg. Es ist klar, dass wir in den Verhandlungen mit der Post hier hart bleiben», versichert Roth.
Und auch die Politik schaltet sich ein: «Wenn ich die Mitteilung der Post lese, dann habe ich den Eindruck, dass uns etwas verheimlicht wird. Ich habe schon lange keine so verklausulierte Medienmitteilung mehr gelesen. Sie ist fast zynisch, zumindest sicher schönfärberisch. Die Post muss ihre Karten offen auf den Tisch legen», verlangt SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher (54).
Postleitung muss bei Nationalräten antanzen
Sie warnt das Staatsunternehmen eindrücklich: «Diese Neuorganisation darf nicht als Sparmassnahme auf dem Buckel des Personals ausgetragen werden. Gerade als öffentliches Unternehmen muss die Post die Sozialpartnerschaft hochhalten.»
«Als Präsidentin der Verkehrs- und Fernmeldekommission erwarte ich von der Post, dass sie als Servic-public-Unternehmen verantwortungsbewusst handelt und alle Fakten auf den Tisch legt. Deshalb lade ich die Post-Leitung an eine der nächsten Kommissionsitzungen ein, damit alle politisch relevanten Fakten auf den Tisch kommen und die Post-Chefs den Kommissionsmitgliedern Red und Antwort stehen», sagt Graf-Litscher.
Auch auf der streng bürgerlichen Seite ist die Empörung gross: «Als Unternehmer weiss ich, dass es Reorganisationen braucht. Dabei muss man aber anständig bleiben. Die Post wirft im Ausland, bei CarPostal France und für Reisli nach Vietnam viel Geld aus dem Fenster. Und in der Schweiz ist man kleinlich. Als ein Traditionsunternehmen, das dem Bund gehört, macht man nicht. Ich muss es sagen: Das Vorgehen der Post ist unanständig!», sagt Fuhrhalter und SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner (65).
«Ist sich die Post bewusst, wem sie gehört?»
Und auch CVP-Nationalrat Martin Candinas (38), der sich im Parlament den Ruf des «Mister Service public» erarbeitet hat, kritisiert die Post: «Die Zahl der Filialleiter fast zu halbieren scheint mir sehr unternehmerisch und wenig Service-public-orientiert», so der Bündner. «Ist man sich bei der Post wirklich bewusst, dass man dem Schweizer Volk und nicht irgendwelchen Aktionären gehört?», fragt er.
Dass man so mehr Kundennähe erreiche, wie der gelbe Riese behauptet, ist für ihn nur schwer vorstellbar. «Schon heute findet man ja die Telefonnummer der nächsten Poststelle nicht. Und wenn man dann jemandem aus dem neuen Team braucht, dürfte es noch schwieriger werden, einen Ansprechpartner zu finden.»
Für Candinas ist klar: «Beim Poststellennetz gibt es einen Abbau von allen Seiten. Jetzt auch noch das Personal zusammenzukürzen wirft Fragen auf.»
BDP-Nationlrat Bernhard Guhl (46) hofft, dass es nicht zu Kündigungen von altgedienten und über 60-jährigen Mitarbeitern komme.
Zahl der Poststellenleiter wird halbiert
Geplant sind konkret die folgenden Veränderungen für die 5500 Mitarbeitenden: Sie sollen künftig in mehreren Filialen eines Gebiets arbeiten und dort für mehrere Zugangspunkte der Post verantwortlich sein.
Neu werden pro Gebiet Teams mit eben etwa 15 Kundenberatenden geschaffen, die in einem Filialgebiet tätig sind. Und zwar in unterschiedlichen Poststellen, bei der Beratung von Mitarbeitenden von Filialen mit Partnern oder bei der Betreuung bei MyPost24-Automaten.
«Die derzeit rund 1000 Filialen mit 700 Filialleitenden werden in Zukunft von ca. 350 Teamleitenden geführt», heisst es in einer Postmitteilung von heute. Und die Zahl der Poststellenleiter wird nicht nur halbiert – alle müssen sich auch neu bewerben: «Da bei der Führung der zukünftigen Teams umfassende Führungskompetenzen gefragt sind und Chancengleichheit gilt, werden sämtliche Führungspositionen sowie deren Stellvertretungen neu ausgeschrieben», schreibt die Post. Ab Mai sollen die neuen Führungspositionen neu besetzt werden.
Als Grund für die Neuorganisation gibt die Post die veränderten Kundenbedürfnisse an. «Immer mehr Kunden erledigen ihre Postgeschäfte vermehrt rund um die Uhr und unterwegs.» Ziel ist es, diesen Bedürfnisse mehr gerecht zu werden und die Kunden in Zukunft noch umfassender zu beraten.
Die Post betont, dass die neue Organisation keinen Einfluss auf den Abbau der Postfilialen und den Ersatz durch Postagenturen habe. Dieser Prozess geht wie geplant weiter. (sf/pt)
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