Der neue Chef der Schweizer Post, Roberto Cirillo (47), hat seine 60'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per Video-Botschaft begrüsst. Er habe ab 16. April die grosse Ehre, ihr Konzernleiter und Kollege zu sein, sagte er. Heute Mittwoch wird der neue Postchef der Öffentlichkeit vorgestellt.
Cirillo, der im Tessin aufgewachsen ist, erzählt im Video, als Kind sei das Postauto sein Anschluss an die Welt gewesen. Nur dank dieser Dienstleistung der Post habe er die gleichen Möglichkeiten gehabt wie seine Kollegen in grösseren Dörfern und Städten. Service public beginne im Kleinen, habe aber eine grosse Bedeutung für die ganze Bevölkerung.
Es geht um den Nutzen für die Gesellschaft
Bei der Post gehe es nicht nur um Wirtschaftlichkeit, sondern auch um den Nutzen für die Gesellschaft. Cirillo will die Zukunft der Post von nun an zusammen mit den Mitarbeitenden gestalten. «Ich freue mich auf die Post, ich freue mich auf Sie», schliesst er seine Rede an die «Pöstler».
Mit dieser Video-Ansprache an die Mitarbeiter hat Cirillo gleich die ganze Bandbreite der Herausforderungen angesprochen, vor der der gelbe Riese steht. Die Wirtschaftlichkeit der Post nimmt ab, weil immer weniger Briefe verschickt werden, und die Postfinance erzielt in der jetzigen Tiefzinsphase nicht mehr die Gewinne von einst. Gleichzeitig mag die Bevölkerung nicht auf den Service public des Konzerns verzichten: In der ganzen Schweiz wehren sich die Leute gegen den Abbau von Poststellen.
Postauto sei Dank
Postauto hat der Tessiner nicht nur den Anschluss an die Welt zu verdanken, sondern auch seinen neuen Job: Denn just der Skandal bei den gelben Bussen war es, der den ganzen Postkonzern in Verruf brachte und auch seine Vorgängerin Susanne Ruoff (61) aus dem Amt fegte.
Über 200 Million Franken hatte der gelbe Riese an zu viel bezogenen Subventionen für den regionalen Personenverkehr zurückzahlen müssen. Und obwohl neben Ruoff zwei Verwaltungsräte und zahlreiche Mitarbeiter gehen mussten, ist der Skandal noch nicht ausgestanden: Noch immer läuft das Verwaltungsstrafverfahren wegen des Postauto-Betrugs. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) hat den früheren Postauto-Chef Daniel Landolf (58) und den ehemaligen Postauto-Finanzchef sowie den früheren Post-Finanzchef Pascal Koradi (45) im Visier. (Blick berichtete) Weitere Verdächtige könnten dazukommen.
Der neue Post-Bändiger
Das Erstaunen war gross, als Post-Präsident Urs Schwaller (66) Cirillo als künftigen Post-Konzernchef vorstellte. Kaum jemandem in der Schweiz war der Tessiner ein Begriff, obwohl Cirillo neben seiner Kindheit in der Südschweiz sein Studium in Zürich verbracht hat.
Dass man den neuen Bändiger des gelben Riesen nicht kennt, muss kein Nachteil sein. Cirillo kann seinen Job unbelastet angehen. Zudem steht ihm mit Schwaller ein Präsident zur Seite, der den Umgang mit der Politik als früherer CVP-Ständerat und Fraktionschef aus dem Effeff beherrscht. Und mit dem Leiter Postnetz Thomas Baur (54) hat er einen Trumpf in der Hinterhand, der sich bereits als Mann für alle (Problem-)Fälle bewährt hat. So führte Bauer zwischenzeitlich die Postauto-Sparte.
Eine grosse Schwierigkeit wird es für den Neuen sein, dass er in der Konzernleitung Manager um sich hat, die angeblich selbst gern Post-Chef geworden wären. Diesen müsse er mehr auf die Finger schauen, als Ruoff das tat, sagt ein Insider. Das wird aber nicht ganz einfach, denn schliesslich kennen sie die Post bestens. Cirillo hingegen ist ein gelbes «Greenhorn».
Wie lange sich der Tessiner im Amt halten kann, darüber gehen die Ansichten auseinander. Einig ist man sich hingegen: Es wartet keine einfache Zeit auf den neuen Post-Chef Roberto Cirillo.