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Neuer Anlauf für Präventivhaft
Bürgerliche rütteln am Tabu

Das Parlament verschärft die Gesetze im Kampf gegen Terroristen – kaum ist die Beratung abgeschlossen, legen Vertreter der SVP, FDP und CVP nach.
Publiziert: 27.09.2020 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 01.03.2021 um 11:50 Uhr
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Die Tat von Morges bewegt die Politik.
Simon Marti

Der Appell verhallte ungehört: Am Freitag verabschiedete das Parlament in der Schlussabstimmung das neue Anti-Terror-Gesetz. Noch am Donnerstag hatte der BLICK über ein Protestschreiben von 60 Rechtsgelehrten ­berichtet, die vor der Vorlage warnen: Namentlich der präventive Hausarrest für Gefährder höhle den Rechtsstaat aus.

Vergeblich. Mehr noch. Eine breite Front von SVP bis CVP ist dabei, eine weitere Verschärfung auf den Weg zu bringen: die vorsorgliche Inhaftierung von Personen, die zu Terror aufrufen oder Terror­organisationen unterstützen.

Die parlamenta­rische Initiative, just am Tag der Schluss­abstimmung eingereicht, sieht vor, dass künftig ein Richter eine «staatsgefährdende Person» ins Gefängnis schicken kann, bevor überhaupt ein Verbrechen begangen wurde.

Hintergrund ist Mordfall von Morges VD

Lanciert hat die Initia­tive SVP-Nationalrat Mauro Tuena (48). «Das Par­lament sagt zwar Ja zu griffigeren Massnahmen bei der Terrorbekämpfung, entfernte aber das effektivste Instrument aus der Vorlage», sagt der Zürcher. «Ich bin klar der Meinung, dass im Ex­tremfall eine gefährliche ­Person in Gewahrsam genommen werden muss.»

Tuena betont, dass nicht «einfach ein Polizist oder ein Staatsanwalt eine Inhaftierung anordnen kann», sondern das Zwangsmassnahmengericht. Ein solcher Entscheid könne immer ­gerichtlich angefochten werden.

Hintergrund von Tuenas Vorpreschen ist der Mordfall von Morges VD. Ein Sympathisant des Islamischen Staats erstach in der Waadtländer Gemeinde vor zwei Wochen einen ihm unbekannten Mann. Der Täter war zuvor vom Geheimdienst als gefährlich eingestuft worden, wie die «NZZ am Sonntag» schreibt.

Nicht der erste Versuch

«Ich bin für die Freiheit», so Tuena. «Aber nach dem Fall Morges muss ich sagen: Dieser Mord wäre nicht geschehen, wäre der Täter nicht auf freiem Fuss gewesen.» In solchen Einzelfällen müssen bei der Freiheit Einzelner Abstriche gemacht werden. «Die Politik hat die Pflicht, die Bevölkerung vor möglichen Terrorattentaten zu schützen.»

Dass die SVP geschlossen hinter Tuenas Vorstoss steht, überrascht nicht. Dass er bis in die Mitte hinein Anklang findet, hingegen schon. «Ich finde es durchaus richtig, die Präventivhaft nochmals vertieft zu prüfen», sagt CVP-Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler (61, LU), Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK). «Wenn wir zum Schluss kommen, so auch nur einen Fall von Terrorismus verhindern zu können, ist dies wichtiger als die Kritik, der wir uns aussetzen.»

Es ist nicht der erste Versuch, die Präventivhaft im Gesetz zu verankern. Das am Freitag verabschiedete Massnahmenpaket sah zeitweilig einen ähnlichen Passus vor. Ende Mai aber kri­tisierte der Uno-Sonder­berichterstatter über Folter, der Schweizer Nils Melzer (49), den Gesetzesentwurf scharf (SonntagsBlick).

Rechtsstaat könnte Schaden nehmen

Daraufhin schwenkte die FDP um, eine Mehrheit im Parlament strich den Passus aus dem Text. Das lag auch an der freisinnigen Justizministerin Karin Keller-­Sutter (56). Die Bundes­rätin hielt im Nationalrat fest: «Die gesicherte Unterbringung von Gefährdern geht zu weit.» Nun scheint die FDP erneut eine Wandlung zu vollziehen, etliche ihrer Nationalräte stützen Tuenas Initiative.

Zum Beispiel Vizefrak­tionschef Olivier Feller (46, VD). «Ich wohne in der Gegend von Morges. Die Tat vor zwei Wochen hat die Bevölkerung der Region schockiert», erklärt er. Daher halte er eine Präventivhaft für prüfenswert. Zumal ein Richter letztlich die Verhältnismässigkeit der Massnahme prüfen werde. «In Fällen wie in jenem von Morges bin ich der Meinung, dass wir die Sicherheit höher gewichten sollten als die Freiheit Einzelner», so Feller.

Nationalrat Beat Flach (55, GLP) gehörte zu den pointiertesten Kritikern der jüngst beschlossenen Verschärfungen. Bei diesem Gesetz seien Bedenken, der Rechtsstaat könnte Schaden nehmen, beiseitegewischt worden. Es sei aber wenig aussichtsreich, diese mittels einer Volksabstimmung zu bekämpfen. «Zu stark ist das Verlangen nach einem Sheriff, der vermeintlich für Recht und Ordnung sorgt.»

Er sei entsetzt, dass ­Sicherheitspolitiker mit der Neuauflage der Präventivhaft noch einen Schritt weitergehen wollen. «Ich kann nicht verstehen, dass auch Freisinnige, deren Partei wie keine andere für die Begründung unseres Rechtsstaats steht, da mitziehen.» Leider, so Flach, sei es durchaus möglich, dass die Präventivhaft eine Mehrheit im Parlament finde. «Dagegen aber muss zur Not ein Referendum ergriffen werden.»

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