Neuenburger Sektion kassiert Rüffel von nationaler Partei
Mitte-Politiker verbreiten Corona-Fake-News

Die Präsidentin der Mitte Neuenburg und ihr Parteisprecher machen mit corona-skeptischen Aussagen auf sich aufmerksam. Der nationalen Partei passt das nicht.
Publiziert: 25.10.2021 um 11:27 Uhr
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Aktualisiert: 25.10.2021 um 12:13 Uhr
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Freddy Rumo (r.), Sprecher der Neuenburger Mitte, postet auf Facebook Corona-Verschwörungstheorien.
Foto: Keystone
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Amit Juillard

Das Facebook-Profil von Freddy Rumo (77) sieht aus wie das von vielen Verschwörungstheoretikern. Nur ist der Neuenburger, dem mehr als 2500 Personen auf dem sozialen Netzwerk folgen, nicht irgendwer in seinem Kanton. Er ist Sprecher der Neuenburger Mitte-Partei und war bis vor kurzem Vizepräsident der Kantonalpartei. Er war zudem einst Präsident von Neuchâtel Xamax und des Schweizerischen Fussballverbandes.

«Die Verschwörungstheoretiker hatten Recht, es handelt sich um eine tödliche Giftinjektion», so der Titel eines Artikels, den Rumo Ende September teilte. «Was wir erleben, ist keine Krise, sondern ein organisierter Betrug», so ein andere Aussage, die er verbreitete.

Rumo sucht Ausflüchte

Auf Anfrage von Blick sagt Rumo, der 1990 erfolglos fürs UEFA-Präsidium kandidierte, er sei kein genereller Impfgegner. Doch die Covid-Impfung komme für ihn nicht infrage.

Mit den Aussagen konfrontiert, die er auf seinem Facebook-Profil teilt, versucht sich Rumo in Ausflüchte zu retten. Die Formulierung «tödliche Giftinjektion» sehe er auf seinem Bildschirm nicht, behauptet er. Und sagt: «Das ist wirklich nicht meine Meinung, das ist dumm.»

Angesprochen auf den Post, der von «organisiertem Betrug» spricht, sagt Rumo: «Eine Meinung weiterzugeben bedeutet nicht, sie zu teilen, sondern sie bekannt zu machen.» Er sei kein Verschwörungstheoretiker, sondern besorgt über den Impfstoff. Im weiteren Verlauf des Gesprächs sagt er aber auch, dass man sich «nicht mehr auf die nationalen Statistiken der Gesundheitsämter verlassen» könne.

Auch Mitte-Präsidentin ist Skeptikerin

Nathalie Schallenberger (56), Präsidentin der Mitte Neuenburg, will sich von den Aussagen des Parteisprechers auf Anfrage nicht distanzieren. «Ich möchte mich nicht dazu äussern. Ich bin für das Recht auf freie Meinungsäusserung», sagt sie.

Ihr Schweigen hat einen Grund. Schallenberger vertritt – wenn auch diskreter – eine ähnliche Position wie Rumo. Im Juni brachte sie einige der Lieblingsthesen der Corona-Skeptiker ins Kantonsparlament ein. In einem Vorstoss, den weitere Mitte-Parlamentarier unterzeichnet haben, behauptete sie unter anderem, der Impfstoff befinde sich noch in einer experimentellen Phase.

Das sei falsch, stellt der Neuenburger Gesundheitsdirektor Laurent Kurth (54) klar. «Die Impfstoffe sind von Swissmedic zugelassen und wurden Millionen von Menschen verabreicht – mit Ergebnissen, die mit den klinischen Studien übereinstimmen.» Auch Swissmedic hält die Aussage für «irreführend».

Nein zum Covid-Gesetz

Schallenberger, die früher bei den Grünen war, traut den Impfstoffen dennoch nicht. «Als Parlamentarierin kann ich der Bevölkerung nicht sagen, dass sie sicher sind», sagt sie. Sie bestreitet den breiten wissenschaftlichen Konsens zur Wirksamkeit der Impfung.

Die Kantonalpartei hat zudem vor Kurzem die Nein-Parole zum Covid-Gesetz beschlossen. Auf nationaler Ebene bekämpft einzig die SVP das Gesetz.

Nationale Partei verurteilt die Aussagen

In der Parteizentrale in Bern zeigt man sich erstaunt über die Haltung der Neuenburger Mitte-Präsidentin und ihres Sprechers. Man habe davon keine Kenntnis gehabt. «Wir verurteilen diese Äusserungen», sagt Sprecherin Astrid Bärtschi.

«Auf nationaler Ebene haben wir eine ganz andere Sichtweise. Wir unterstützen das Covid-19-Gesetz und das Zertifikat ausdrücklich und freuen uns, dass die Schweizer Bevölkerung so rasch von den Vorteilen der innovativen Impfstoffe profitieren konnte.» Aber natürlich stünde es den Kantonalparteien frei, eigene Parolen zu fassen.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Neuenburger Mitte ausschert. Im September 2020 unterstützte sie mit den Linken die Konzernverantwortungs-Initiative – während Parteipräsident Gerhard Pfister (59) in Bern für ein Nein kämpfte.

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