100'000 Soldaten sind Thomas Süssli (57) nicht genug. Geht es nach dem Armeechef, soll das Heer «in einem ersten Schritt» auf rund 120'000 Soldaten aufgestockt werden. Das sagt er in einem Interview mit den Zeitungen von CH Media.
Angesichts der geopolitischen Lage müsse man die Schweiz ihre Verteidigungsanstrengungen erhöhen, und zwar rasch, sagt Süssli, der in den vergangenen Wochen wegen Aussagen zu Finanzproblemen der Armee unter Druck geriet.
Neu soll es «leichte Kräfte» geben
Vergangenes Jahr hat die Armee in einem Bericht skizziert, wie sie sich künftig aufstellen will. Sollte es zu einem Angriff auf die Schweiz kommen, soll in zwei sogenannten Schwergewichtszonen gekämpft werden. In diesen Zonen ist es Ziel, Überlegenheit gegen den Feind zu erlangen und ihn zum Abbruch des Angriffs zu zwingen, wie es im Bericht heisst. Dafür soll das Heer so umgebaut werden, dass es künftig für beide Zonen sogenannte schwere Kräfte (Panzerbataillone), mittlere Kräfte (Infanterie) und – das ist neu – auch leichte Kräfte gibt.
Bei Letzteren soll es sich um rund 20'000 Soldaten handeln, «die öffentlich gut sichtbar sind und der Bevölkerung Sicherheit geben», erläutert Süssli. Es ist das erste Mal, dass der Armeechef diese Zahl öffentlich ausspricht. Auch FDP und SVP forderten in den vergangenen Jahren eine Erhöhung des Armeebestands um einen Fünftel.
Bald Dienstpflicht für Frauen?
Diese zusätzlichen Soldaten «sollen die zivilen Behörden unterstützen und gleichzeitig Gegner erkennen und an Aktionen gegen uns hindern können», sagt Süssli im Interview. Eine Möglichkeit wäre dafür Armeeangehörige einzusetzen, die den Dienst bereits abgeschlossen haben, aber noch länger eingeteilt bleiben.
Zuerst brauche es aber ein neues Dienstpflichtsystem, so Süssli. Der Bundesrat prüft derzeit zwei Varianten: Die Einführung der Dienstpflicht auch für Frauen oder aber – was viel weniger weit ginge – der Zusammenschluss von Zivilschutz und Zivildienst zu einer Katastrophenorganisation. Der Bundesrat hat das Verteidigungsdepartement beauftragt, die beiden Varianten bis Ende Jahr «vertieft zu prüfen».
Armee grösser als erlaubt
Während die Armee seit Jahren über Personalprobleme klagt, zeigen die Zahlen allerdings, dass das Problem eigentlich gerade das Gegenteil ist: Die Armee ist zu gross! Gemäss Vorgabe darf der Effektivbestand der Armee nicht über 140'000 Dienstpflichtigen liegen.
Doch seit 2022 wird diese Höchstgrenze überschritten – was gegen das Gesetz verstösst. Verteidigungsministerin Viola Amherd hatte deshalb vergangenes Jahr im Bundesrat beantragt, zwei Jahrgänge von Armeeangehörigen früher zu entlassen. Doch der Bundesrat lehnte diesen Vorschlag ab. Stattdessen soll das Gesetz angepasst werden. (lha)