Ritter will mehr Bauern an die Wahlurnen bringen
Oberster Bauer macht seinen Kollegen Dampf

Der Bauernverband fürchtet um seinen Einfluss im Bundeshaus. Um die Macht zu erhalten, ruft er die Landwirte im Land zum Wählen auf. Man ist überzeugt: Mobilisierung ist das Erfolgsrezept.
Publiziert: 21.08.2023 um 20:07 Uhr
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Aktualisiert: 22.08.2023 um 14:36 Uhr
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Markus Ritter, Mitte-Nationalrat und Bauernverbands-Präsident, richtet sich mit einem Appell an seine Berufskollegen.
Foto: Keystone
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Markus Ritter (56), der höchste Bauer im Land, nimmt seine Berufskolleginnen und -kollegen in die Pflicht. «Der Einsatz muss dieses Jahr deutlich grösser sein als bei den letzten Wahlen», so die Ansage des Bauernverbands-Präsidenten. Die Wahlbeteiligung auf dem Land, sie war aus Sicht Ritters vor vier Jahren miserabel. «So kann man keine Wahlen gewinnen!»

Derzeit sitzen ein Dutzend Bäuerinnen und Bauern im Parlament, hinzu kommen gut zwei Dutzend weitere Parlamentarier, die landwirtschaftsnah sind. Es ist der Berufsstand mit der mächtigsten Lobby unter der Bundeshauskuppel. 

Der St. Galler Mitte-Nationalrat Ritter ist trotzdem nicht zufrieden, blickt er auf die zu Ende gehende Legislatur zurück. Die beiden Pestizid-Initiativen, die Massentierhaltungs-Initiative: Die vergangenen Jahre sei man unter extremem Druck gestanden, vor allem vonseiten der Umweltverbände. 2020 verlor man mit dem abgeschossenen Jagdgesetz sogar eine Abstimmung – eine ungewohnte Erfahrung für den Bauernverband, der sich das Siegen gewohnt ist.

Ja nicht schrumpfen

Die stete Angst des Bauernverbands ist ein Machtverlust. Mit Andreas Aebi (64) und Erich von Siebenthal (64) treten zwei Berner Landwirte im Oktober nicht mehr an. Ihre Sitze gilt es für den Bauernverband unbedingt zu ersetzen. «Unser Ziel ist es, die heutige Vertretung im National- und Ständerat sicher zu halten und wenn möglich auszubauen», sagt Ritter.

Erstmals setzen die Bauern dabei auf eine Kooperation mit den Wirtschaftsverbänden. Der Bauernverband, Economiesuisse, der Arbeitgeber- und der Gewerbeverband haben sich zur Allianz «Perspektive Schweiz» zusammengeschlossen, mit der sie gemeinsam um bürgerliche Stimmen buhlen. Auf diese Kampagne werde man sich konzentrieren, auch finanziell, sagt Urs Schneider, Wahlkampf-Chef beim Bauernverband. 

Eigene Kampagne geplant

Der Verband plant für die nächsten Wochen zusätzlich aber auch eine eigene Kampagne, die sich direkt an Bäuerinnen und Bauern richtet. Das Ziel dabei: die Landwirte an die Urne bringen. «Das Erfolgsrezept ist die Mobilisierung», sagt Schneider. 2019 lag die Wahlbeteiligung in den Städten teilweise über 20 Prozentpunkte höher als auf dem Land – zum Vorteil linker Parteien. Das wurmt den Verband.

Dass es auch anders geht, zeigte der 13. Juni 2021. Ein historischer Tag für Bauernpräsident Ritter. An diesem Sonntag stimmte die Schweiz unter anderem über die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative ab – und schickte sie bachab. Die Stimmbeteiligung sei auf dem Land bei rekordhohen 65 bis teilweise sogar 80 Prozent gelegen, erinnert sich Ritter. «Damals ging ein Ruck durch die ländliche Bevölkerung. Nun ist entscheidend, dass wir noch einmal so einen Ruck hinbekommen.»

Budget bleibt – noch – geheim

Doch nicht alle Bauern teilen den Traum von Markus Ritter. Für Kilian Baumann (42), Berner Grünen-Nationalrat und Präsident der Kleinbauernvereinigung, ist es eher ein Alptraum. «Der Bauernverband versteht unter Mobilisierung der Bauern natürlich vor allem die Mobilisierung der konservativen, rückwärtsgewandten Kräfte», gibt er zu bedenken. Baumann als einer der wenigen linken Bauernvertreter im Parlament muss befürchten, dass sein Lager an Einfluss verliert. Wobei er bereits jetzt häufig in der Minderheit ist.

Wie viel Geld der Bauernverband fürs Mobilisieren in die Hand nimmt, will er – noch – nicht bekannt geben. Ritter spricht sehr vage von einem «grossen Betrag». Die neuen Transparenzregeln fordern, dass bis am 7. September alle politischen Akteure ihr Wahlkampfbudget offenlegen, sofern es über 50'000 Franken liegt. Dann müssen auch die Bauern die Karten auf den Tisch legen.

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