Nächste Woche ist Corona-Session
Warum das Parlament nicht selbst zum Notrecht greift

Ab Montag trifft sich das Parlament zur Corona-Session. Eigentlich hätte das Parlament mehr Macht als der Bundesrat. Aber in der Krise nutzt sie diese kaum.
Publiziert: 02.05.2020 um 10:38 Uhr
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Auch das Parlament könnte zu Notrecht greifen. Bislang hat es aber darauf verzichtet.
Foto: DUKAS
Gianna Blum

Nächste Woche tagt das Parlament wieder – erstmals, seit die Märzsession wegen der Corona-Pandemie abgebrochen werden musste. National- und Ständerat treffen sich zu dieser ausserordentlichen Session ausnahmsweise in der Berner Messehalle. Denn hier können die Abstandsregeln – anders als im Bundeshaus – eingehalten werden.

Die eidgenössischen Räte haben eine enorme Macht. Trotz Corona-Notlage mehr Macht als der Bundesrat sogar. Denn wenn das Parlament tagt, kann es eigenständig Notverordnungen beschliessen – so steht es in der Verfassung. Eine parlamentarische Notverordnung ist in der ausserordentlichen Lage gar das einzige Mittel, um die bundesrätlichen Entscheide zu übertrumpfen. Und: Während die Verordnungen des Bundesrats auf sechs Monate beschränkt sind, tritt die parlamentarische Version erst nach drei Jahren ausser Kraft.

Die Abmachung mit dem Bundesrat

So viel zur Theorie. In der Praxis besteht jedoch ein «Gentleman's Agreement», wie es Ständeratspräsident Hans Stöckli (SP, 68) nennt. Konkret besteht die folgende Zusage der Regierung: Sofern sich das Parlament auf einen Vorstoss einigen kann, setzt der Bundesrat diesen auch zeitnah um. «Im Gegenzug wird sich das Parlament mit Notverordnungen zurückhalten», erklärt Stöckli.

Zusammen mit FDP-Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (49) steht Ständeratschef Stöckli der Verwaltungsdelegation vor. Das sechsköpfige Gremium hat quasi die Parlamentsleitung inne.

Demokratie im Eiltempo

Laut Stöckli haben sich die Parlamentsspitzen – die Kommissions- und Ratspräsidenten – mit dem Bundesrat auf ein dreistufiges Vorgehen geeinigt. In einem ersten Schritt stellen die Kommissionen Fragen und geben Anregungen, die der Bundesrat entweder beantwortet oder umsetzt. Sind die Räte damit nicht zufrieden, können sie in einem zweiten Schritt ihre Anliegen als Vorstösse einreichen.

Damit das überhaupt umsetzbar ist, habe sich der Bundesrat bereit erklärt, Kommissionsvorstösse im Eiltempo noch vor der Corona-Session zu beantworten. So können sie in den Räten auch behandelt werden. Und wenn National- und Ständerat gleichlautende Vorstösse annehmen, macht sich die Landesregierung sofort an die Umsetzung – sie verzichtet auf die zwei Jahre, die das Gesetz zum Vollzug gewähren würde. Erst als letzte Eskalationsstufe kommt in einem dritten Schritt die parlamentarische Notverordnung zum Zug.

Viel Vertrauen in den Bundesrat

Normalerweise dauert es lange, bis sich in der Schweizer Politik irgendetwas ändert. So aber kann alles schneller umgesetzt werden. Die Zusicherungen des Bundesrats seien denn auch sehr unüblich, wie Stöckli sagt. Er habe aber «volles Vertrauen», dass sich unsere Landesregierung an den Deal halte.

Zumindest das Parlament hält sich sich grosso modo an seinen Teil der Abmachung: Im Hinblick auf die ausserordentliche Session von kommender Woche liegt kein Ruf nach einer Notverordnung vor. Einzig Grünen-Nationalrätin Katharina Prelizc-Huber (60) hatte ihr Glück versucht, und eine Notverordnung für die familienergänzende Kinderbetreuung vorgeschlagen. Die ist aber in der Ständeratskommission bereits gescheitert. Einig sind sich die Räte aber grundsätzlich, dass es für die Kitas Geld aus der Bundeskasse braucht.

In der Corona-Session müssen sie sich aber noch auf einen Betrag einigen, wie auch darauf, welchen Anteil Bund und Kantone jeweils berappen sollen. Und wenn das gelingt, wird auch der Bundesrat die finanzielle Unterstützung der Kitas sprechen müssen. Wenn er denn hält, was er verspricht.

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