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Nach Mord an Pfarrerstochter Marie (†19)
Staat soll für Wiederholungstäter haften

Der Staat soll haften, wenn Gewalt- oder Sexualstraftäter rückfällig werden, die vorzeitig entlassen wurden oder Vollzugslockerungen erhielten. Das will der Nationalrat.
Publiziert: 21.06.2019 um 10:30 Uhr
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Aktualisiert: 21.06.2019 um 12:59 Uhr
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Claude Dubois ist der Mörder von Marie (†19).
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Dieser grausame Mord schockierte die Schweiz: 2013 hatte Claude Dubois die junge Marie (†19) in einen Wald bei Châtonnaye FR entführt, wo er die Pfarrerstocher über Stunden quälte und schliesslich mit einem Gürtel erdrosselte. Dubois wurde verurteilt und verwahrt.

Besonders schockierend: Dubois verbüsste zum Zeitpunkt der Tat eine Reststrafe in Hausarrest. Denn er hatte schon zuvor gemordet. 1998 hatte Dubois seine damalige Ex-Freundin vergewaltigt und getötet. Er konnte Marie nur töten, weil die Justiz ihm im Hausarrest resozialisieren wollte.

Erneuter Sieg für Natalie Rickli

Bei solchen Taten soll der Staat nun haften. Das forderte die ehemalige SVP-Nationalrätin und heutige Zürcher Regierungsrätin Natalie Rickli (42) – und der Nationalrat hat beschlossen, das umzusetzen.

Die Rechtskommission beider Räte hatten Ricklis Vorstoss bereits früher gutgeheissen. Die Nationalratskommission arbeitete daraufhin einen Gesetzesentwurf aus und schickte diesen in die Vernehmlassung. Der Entwurf stiess aber auf breite Ablehnung. Die Kommission beschloss deshalb, das Projekt nicht weiter zu verfolgen.

Im Nationalrat sah die Mehrheit das aber anders. Sie findet, der Staat sei moralisch verantwortlich. Wenn Behörden und Richter schon entschieden, dass ein Täter frühzeitig entlassen werden könne, dann müssten sie auch die Verantwortung dafür übernehmen.

Heute haftet der Staat nicht

Heute haften der Bund oder die Kantone in der Regel für Schäden, die Staatsangestellte in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit verursacht haben. Voraussetzung ist, dass eine unerlaubte Handlung wie die Verletzung einer Amtspflicht dazu geführt hat. Die Lockerung des Strafvollzugs oder eine bedingte Entlassung sind gemäss Bundesgericht jedoch keine unerlaubten Handlungen, nur weil sie sich nachträglich als falsch herausstellen.

Das soll geändert werden. Die Rechtskommission hat eine Staatshaftung vorgeschlagen, die unabhängig von einem Verschulden und einer unerlaubten Handlung greift. Zum Tragen kommen soll die Bestimmung bei schweren und gefährlichen Straftaten, die im Rahmen einer Vollzugsöffnung begangen werden.

Breite Ablehnung

In der Vernehmlassung stellten sich alle teilnehmenden 25 Kantone gegen die Vorlage. Auch die FDP, die GLP und die SP lehnten den Gesetzesentwurf ab.

Aus Sicht der Gegnerinnen und Gegner könnte die Staatshaftung kontraproduktiv wirken: Es sei damit zu rechnen, dass künftig nur noch sehr wenig Vollzugsöffnungen bewilligt würden, argumentieren sie. Täter würden damit unvorbereitet aus der Haft entlassen, was das Rückfallrisiko erhöhe. Die Vernehmlassungsteilnehmer führten zahlreiche weitere Einwände ins Feld. Manche zogen die Verfassungsmässigkeit in Zweifel. (SDA/sf)

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