Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe! Anfang 2018 war bekanntgeworden, dass Mitarbeiter der britischen Hilfsorganisation Oxfam in Haiti und Tschad Partys und Orgien mit Prostituierten gefeiert hätten. Die Helfer sollen die Not der Frauen schamlos ausgenutzt haben, indem sie als Gegenleistung für Hilfsgüter unter anderem Sex verlangten.
Der Skandal weitete sich immer mehr aus. Auch in anderen Ländern wurden Missbrauchsfälle publik. Selbst Kinder sollen unter den Opfern gewesen sein. Sieben Jahre lang hatte die Organisation versucht, alles unter dem Deckel zu halten.
Umsonst. Mehrere hochrangige Mitarbeiter mussten zurücktreten. Denn Oxfam wird auch vorgeworfen, Hinweisen auf fehlbares Verhalten zu wenig entschlossen nachgegangen zu sein. Es sollen sogar Fälle vertuscht worden sein. Der Skandal hatte Folgen: Oxfam verlor Tausende Spender.
Bund zahlte hinter den Kulissen weiter
Auch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) hat sich von 2013 bis 2017 mit 20,4 Millionen Franken an Oxfam-Projekten in Jemen, Irak oder Tschad beteiligt. Per sofort hatte das Departement von FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (58) im Februar 2018 die Zahlungen sistiert – und forderte eine «lückenlose Aufklärung». Seither herrschte Schweigen.
Nun aber wird klar: Hinter den Kulissen hat das EDA weiter gezahlt. Schon am 15. Mai 2018 sei wieder Geld an die Organisation geflossen, berichtet «CH Media». Knapp 8 Millionen Franken hat das EDA seither an Oxfam gezahlt. Aufgrund bereits eingeleiteter und geplanter Massnahmen zum Schutz vor sexueller Belästigung, Ausbeutung und Missbrauch sei das Departement zum Schluss gekommen, «dass Oxfam weiterhin ein vertrauenswürdiger und professioneller Partner ist».
Cassis erlässt neue Regeln
Doch damit lässt es EDA-Chef Cassis nicht auf sich beruhen: Seit August 2018 gelten auch für seine Mitarbeiter neue Regeln. Das Aussendepartement verfüge seither über einen Verhaltenskodex für Mitarbeitende im Ausland, der jede Form der Belästigung verbietet – auch sexuelle Belästigung.
Explizit verboten sei «die Ausbeutung von Menschen, die sich in einer Notlage oder einer Abhängigkeit befinden», berichtet «CH Media» weiter. Das gelte gerade auch für «die Praxis der sexuellen Ausbeutung, einschliesslich der Kauf von sexuellen Dienstleistungen».
Auf Empfehlungen geeinigt
Im vergangenen Juli habe sich die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) zudem mit 29 anderen Gebern auf Empfehlungen zur Beendigung von sexuellen Übergriffen geeinigt. Seit Juli 2018 habe das EDA von Oxfam mehrere Berichte über die Umsetzung des 10-Punkte-Massnahmenplans erhalten. Die Organisation informiere «systematisch und frühzeitig» über (Verdachts-)Fälle von Fehlverhalten.
Die Schweiz unterstützt derzeit Oxfam-Projekte in rund einem Dutzend Krisengebieten – unter anderem im Irak, Burkina Faso, Mali, Syrien und der Republik Kongo. Das britische Hilfswerk verfügt über ein Jahresbudget von insgesamt rund 520 Millionen Franken. (dba)