Der Unfall geschah am Nachmittag des 9. Juni 2016: Die Patrouille Suisse trainiert in der Nähe des Luftwaffenstützpunktes Leeuwarden (NL) für eine Flugshow. Plötzlich geht alles rasend schnell. Zwei Jets des Typs F-5 Tiger touchieren sich – die Maschine von Pilot Michael D.* (37), genannt «Püpi», gerät ausser Kontrolle.
In letzter Sekunde kann er sich mit dem Schleudersitz retten und landet in einem Gewächshaus. Dabei trägt er Schnittwunden und Verstauchungen davon. Sein Flugzeug zerschellt am Ufer eines Teichs. Auch das zweite Flugzeug wird durch die Kollision beschädigt. Der Pilot schafft es trotzdem, den angeschlagenen Jet sicher zu landen.
Pilot flog kurzzeitig «blind»
Der spätere Untersuchungsbericht der Militärjustiz ging von einem Pilotenfehler aus. «Püpi» soll das zweite am Unfall beteiligte Flugzeug kurzzeitig aus den Augen verloren haben. Er habe es aber unterlassen, dies über Funk mit dem Wort «blind» zu melden: «Ein mögliches Fehlverhalten des Piloten als Unfallursache lasse sich deshalb nicht ohne Weiteres von der Hand weisen.» Es war der erste Unfall der Patrouille Suisse überhaupt.
Am Donnerstag hat nun das Militärgericht 2 in Aarau sein Urteil gefällt. Es hat den Piloten zu einer bedingten Geldstrafe von drei Tagessätzen zu 160 Franken verurteilt. Dies wegen fahrlässigen Missbrauchs und Verschleuderung von Material.
Freigesprochen wurde der Mann vom Vorwurf der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs. Eingestellt wird das Verfahren bezüglich mehrfacher fahrlässiger Nichtbefolgung von Dienstvorschriften.
«Zu aggressiv und ohne Sicht»
Die Anklage hatte zuvor eine bedingte Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 270 Franken gefordert. Der Pilot sei «kein Schwerverbrecher», sondern ein «verdienter Pilot der Schweizer Luftwaffe». Er habe aber Fehler beim Annäherungsmanöver an den anderen Tiger-Kampfjet der Patrouille Suisse gemacht.
Der Pilot sei «zu aggressiv und ohne Sicht» geflogen. Es dürfe bei Kunstflugformationen jedoch nie blind geflogen werden. Bei ausreichendem Sichtkontakt hätte die Kollision verhindert werden können. Für die anderen Piloten der Formation und für fünf Passanten in der Nähe des Absturzortes habe eine erhebliche Gefahr bestanden. Das oberste Gebot im Verbandsflug sei die Vermeidung einer Kollision. Der Fehler des Piloten sei zu bestrafen.
Gleichzeitig bemängelte die Anklage, dass der Vorfall bei der Kunstflugstaffel intern nie aufgearbeitet worden sei. Es gebe bei der Patrouille Suisse «keine Fehlerkultur». Im «blinden Vertrauen» sei der Pilot wieder ins Cockpit gesetzt worden. «Man fühlt sich unantastbar.»
Der Ankläger warf dem Berufsmilitärpiloten fahrlässigen Missbrauch und Verschleuderung von Material vor. Angeklagt war der Mann auch wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs sowie wegen mehrfacher fahrlässiger Nichtbefolgung von Dienstvorschriften.
Verteidigung hatte Freispruch gefordert
Zu einem ganz anderen Schluss war der Verteidiger gekommen. Er verlangte für den Piloten einen Freispruch von Schuld und Strafe. Beim Trainingsflug habe es sich um einen vom Kommandanten befohlenen Einsatz gehandelt. Jeder Pilot müsse sich in der Formation auf seine Kollegen verlassen können. Geflogen werde primär auf Sicht.
Man wisse nicht genau, wie es zur 0,2 Sekunden dauernden Kollision gekommen sei, so der Verteidiger. Beim Kunstflug seien die Abstände zwischen den Maschinen sehr gering. Der Kunstflug sei gewollt noch gefährlicher als das Fliegen. Jeder Pilot kenne das Risiko und die Konsequenzen – auch die Armee selbst. Die Luftwaffe willige daher in das Risiko ein. (dba/SDA)
* Name der Redaktion bekannt.