Die Angst war gross: Als im vergangenen Winter plötzlich Russlands Gas fehlte und die französischen AKW gewartete wurden, sorgte sich die Schweiz vor einem Strommangel. Doch es ist nochmal gut gegangen. Die Schweiz hat den Winter ohne Stromlücken überstanden.
Das freut die Schweizer Bevölkerung. Für sie ist die Versorgungssicherheit die wichtigste Aufgabe – wichtiger als die klimaneutrale Energieproduktion oder ein bezahlbare Strompreis, zu diesem Schluss kommt eine Studie von GFS Bern im Auftrag des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen.
Reichen Erneuerbare?
Dafür unterstützt die Bevölkerung auch den Ausbau von erneuerbaren Energien. 68 Prozent der 1003 Befragten sind der Ansicht, dass die Energiewende in der Schweiz zu langsam vorwärts geht. Die wichtigsten Instrumente zur Verhinderung von Strommangellagen seien demnach mehr Solaranlagen auf Gebäuden und Fassaden, mehr Energieeffizienz und alternative Energie im Inland. Dabei spielt auch der Wunsch nach unabhängiger Stromversorgung aus dem Ausland eine Rolle.
Aber: Eine Mehrheit von 63 Prozent ist gleichzeitig auch der Meinung, dass die Erneuerbaren nicht reichen, um den Strombedarf zu decken, heisst es in der Studie. «Konkret sind es sehr grosse Mehrheiten von über 80 Prozent unter den Anhängerschaften der SVP, der Mitte und der FDP, die diese Zweifel teilen», schreiben die Studienautoren.
Wenn der aktuelle Kurs der Energiepolitik so weitergeführt wird, fürchten 51 Prozent der Befragten Stromausfälle – trotzdem sind aber 59 Prozent mit der Schweizer Energiepolitik einverstanden. Der Stichprobenfehler liegt aber bei rund drei Prozent.
Damit es zu keinem Blackout kommt, unterstützt die Bevölkerung gemäss Umfrage, Solar-, Wasser- und Windkraft. «Nicht überzeugt ist die Bevölkerung jedoch von grossen Solaranlagen in den Bergen und Freiflächen.» Mit dem Solar-Express hat das Parlament erst kürzlich solche Anlagen erlaubt.
Mehr Pragmatismus
Gespalten ist die Schweiz in der Frage, ob die Energiewende zu teuer ist. 52 Prozent lehnen die Aussage ab.
Schlechte Karten hat die Atomkraft: Nur 44 Prozent sind der Meinung, dass ein AKW-Verbot den Handlungsspielraum einschränkt. Auch ein Neubau von Kernkraftwerken finden keine Mehrheit – immerhin 43 Prozent sprechen sich für AKW der vierten Generation aus, die derzeit erforscht werden.
65 Prozent der Schweizerinnen und Schweizern wollen kein neues Atomkraftwerk, selbst wenn es zahlreiche andere Kraftwerke verhindern würde, also Windräder, Solaranlagen in den Bergen oder Staumauern.
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Die Analyse deute darauf hin, dass die Bevölkerung etwas pragmatischer entscheide, als in der Vergangenheit, schreibt der Verband der Schweizer Elektrizitätsunternehmen. Dies führt VSE Direktor Michael Frank darauf zurück, dass es trotz realen Risikos letzten Winter nicht zu einer Mangellage gekommen ist: «Hätte es einen Versorgungsengpass gegeben, würde die Bevölkerung mit Sicherheit stärker Druck auf die Politik ausüben und verlangen, dass in der
Energiepolitik endlich die Handbremse gelöst wird.» Die Schmerzgrenze sei noch nicht erreicht. (bro)