Die Corona-Situation ist dem Bundesrat nicht geheuer. Deshalb will er die erweiterte Zertifikatspflicht vorerst nicht aufheben. Das hat er am Mittwoch beschlossen. Es gelte, die Kontrolle über die Lage nicht zu verlieren, sagte Gesundheitsminister Alain Berset (49) vor den Medien. Die Lage habe sich in den vergangenen Wochen zwar entspannt. Seit ein paar Tagen aber würden die Fallzahlen in einigen Kantonen wieder steigen.
Berset verwies etwa auf Israel oder die Niederlande, wo die Fallzahlen bei einer ähnlich hohen Impfrate nach Öffnungsschritten wieder rasch angestiegen seien. Das habe zu einer hohen Belastung der Spitäler geführt. Alle Massnahmen aufheben und nachher wieder korrigieren zu müssen, wolle der Bundesrat nicht. Mitte November soll die Lage neu beurteilt werden.
Bundesrat glaubt an ausreichende Schutzwirkung
Dennoch möchte die Regierung den Ungeimpften einen Schritt entgegenkommen. Dazu schlägt er den Kantonen die Einführung eines Extra-Zertifikats für Genesene vor.
Konkret plant der Bundesrat, dass die bisher für Genesene ausgestellten Covid-Zertifikate statt sechs Monate neu ein ganzes Jahr gelten sollen. Die verfügbaren Daten belegten eine ausreichende Schutzwirkung vor schweren Erkrankungen und Spitaleinweisungen, erklärte er.
Genesenen will er den Zugang zum Zertifikat erleichtern. Wer vom Coronavirus genesen ist, muss dies für ein Zertifikat heute mit einem PCR-Test belegen. Wer einen solchen Test verpasst hat, erhält bisher kein Zertifikat, wenn er sich nicht impfen oder regelmässig testen lässt.
Extra-Zertifikat ist nur im Inland gültig
Das soll sich ändern. Neu soll auch ein aktueller und positiver serologischer Antikörpertest zum Zertifikat führen. Die Kosten von rund 70 Franken für den Test muss allerdings jeder selber übernehmen. Das so erhaltene Zertifikat soll 90 Tage gültig sein.
Die Sache hat aber einen Haken: Da in der EU Zertifikate für Genesene mit wenigen Ausnahmen nur 180 Tage gültig sind, soll das auf ein Jahr verlängerte Zertifikat nur in der Schweiz benutzt werden können.
Auch für Touristen plant der Bundesrat Erleichterungen. Ein nur in der Schweiz gültiges Zertifikat schlägt der Bundesrat ebenfalls für Personen vor, die mit einem nur von der WHO zugelassenen Impfstoff immunisiert sind. Zurzeit sind dies die chinesischen Impfstoffe Sinovac und Sinopharm. Doch das Zertifikat wäre nur 30 Tage gültig. Der Bundesrat will so Wirtschaft und Tourismus unterstützen.
Heute erhalten Touristen das in der Schweiz und in der EU gültige Zertifikat, wenn sie mit einem in der EU zugelassenen Impfstoff geimpft sind. Das sind die in der Schweiz verwendeten Impfstoffe von Pfizer/Biontech, Moderna und Johnson&Johnson sowie Astrazeneca. Der russische Impfstoff Sputnik V ist in der EU noch in Prüfung.
Noch fehlen konkrete Ausstiegsszenarien
Noch konnte Berset keine klaren Kriterien für einen möglichen Ausstieg aus den Corona-Massnahmen nennen. Solche werden regelmässig gefordert, um Planungssicherheit und eine Perspektive für Bevölkerung und Wirtschaft zu schaffen.
«Das Merkmal dieser Pandemie ist die Ungewissheit», erklärte Gesundheitsminister Berset. «Wir wissen nicht, was noch kommt.» Für den Ausstieg etwa aus der Zertifikatspflicht sei die Auslastung der Spitäler ausschlaggebend. Die Massnahme sei nicht vergleichbar mit den Massnahmen vor einem Jahr: «Damals waren die Restaurants phasenweise zu.» Veranstaltungen fanden nicht statt.
«Wir machen mindestens alle drei, vier Wochen eine vertiefte Analyse», ergänzte Berset. «Wenn wir sehen, es droht keine Überlastung mehr, werden wir lockern.» (dba)
Medienkonferenz Berset 20.10.2021