Der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) wirft dem Bundesrat vor, bei der Bewältigung der Corona-Krise nur an die Gesundheit zu denken – und zu wenig an die Wirtschaft. «Die Leidtragenden dieser einseitigen Politik sind wir alle: die ganze Gesellschaft und die Schweizer Demokratie», kritisiert SGV-Direktor Hans-Ulrich Bigler (63) an einer Medienkonferenz.
Der Wirtschaftsdachverband fordert eine sofortige Öffnung aller Betriebe, die derzeit geschlossen sind. «Der Bundesrat muss Lockdown sofort beenden!», so SGV-Präsident Fabio Regazzi. «Der plumpen Lockdown-Politik fehlt es nicht bloss an Fantasie und Perspektive, sie bringt auch keine Lösung für Probleme, sondern verschärft diese noch zusätzlich», wettert der Mitte-Nationalrat.
Er kritisiert die Massnahmen zudem als widersprüchlich und nicht evidenzbasiert. Den verhängten Massnahmen fehle ausserdem häufig die demokratische Legitimation.
Mit Schutzmassnahmen sei Öffnung möglich
FDP-Nationalrätin und SGV-Vizepräsidentin Daniela Schneeberger (53) führt aus, dass mit der Logik des gezielten Schutzes die sofortige Beendigung des Lockdown und der derzeitigen schädlichen Massnahmen möglich sei. Mit breitflächigem Testen, einem intensiven Impfprogramm und dem Contact Tracing würden die Ansteckungsketten unterbrochen und mit Schutzkonzepten würden Neuansteckungen verhindert. Dieses Prinzip habe zudem das Parlament klipp und klar im Covid-Gesetz festgehalten. Der Bundesrat sei daher aufgerufen, dieser Bestimmung in aller Konsequenz zu folgen.
«Alle diese verhältnismässigen Massnahmen erlauben nämlich die Öffnung und die Rückkehr zu einem gesunden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben», sagt Bigler.
Kritik an der Taskforce
Der Gewerbeverband übt auch harsche Kritik an der Rolle der wissenschaftlichen Taskforce. «Sie ist ein Teil des Problems und nicht der Lösung», sagt SGV-Präsident Fabio Regazzi. Eine demokratische Kontrolle der Taskforce fehle vollständig, zudem wirft Regazzi den Taskforce-Mitgliedern vor, sich medial in Szene zu setzen. Insgesamt verhalte sich die Taskforce wie «ein gewöhnlicher Lobbyist».
Konkrete Vorschläge, wie ein geordneter Ausstieg aus dem Lockdown in der derzeitigen Lage möglich ist, macht der Verband nicht. So warnen Experten, dass sich die Schweiz am Beginn einer dritten Welle befindet.
Epidemiengesetz soll geändert werden
Der Gewerbeverband präsentiert stattdessen Forderungen, wie die Pandemiepolitik im Hinblick auf eine nächste Krise verbessert werden muss. Das Epidemiengesetz müsse dringend angepasst werden, sagt SVP-Nationalrätin und SGV-Vorstandsmitglied Diana Gutjahr (37). Künftig brauche es für solche Krisensituationen einen speziellen Bundesratsausschuss und eine parlamentarische Delegation. Um eine besondere oder ausserordentliche Lage gemäss Epidemiengesetz auszurufen, müssten diese zuerst konsultiert werden.
Zudem müsse das Vernehmlassungsverfahren während solchen Ausnahmesituationen verkürzt werden und der Kreis derjenigen, die mitreden dürfen, eingeschränkt werden. Gutjahr: «Dass der Bundesrat wiederholt die Mehrheit der Kantone wie auch Parlamentsentscheide ignoriert hat, darf nicht mehr passieren.»
Die Politiker wollen die Vorschläge in Form von Vorstössen ins Parlament bringen. Der Bundesrat indes wird kommenden Mittwoch über das weitere Vorgehen beraten. Dass er dem Druck der Wirtschaft nachgibt und sämtliche geschlossenen Betriebe öffnet, ist praktisch ausgeschlossen. (lha/SDA)