Mattea Meyer vs Philippe Nantermod
Sollen wir Afghanen aus Kabul holen?

Nach der Sommerpause ist der Blick Pong wieder da! Die Co-Präsidentin der SP, Mattea Meyer, und der Vizepräsident der FDP, Philippe Nantermod, streiten diese Woche über die Aufnahme von afghanischen Flüchtlingen.
Publiziert: 15.09.2021 um 15:52 Uhr
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Vertriebene warten in Kabul auf eine bessere Zukunft ohne die Taliban. Viele würden gern ins Ausland.
Foto: keystone-sda.ch
Sermîn Faki et Adrien Schnarrenberger

Die Schweiz nimmt keine afghanischen Flüchtlinge auf – der Bund hat lediglich die Schweizer Staatsangehörigen und das dort beschäftigte afghanische Personal aus Kabul evakuiert. Dies trotz wiederholter Forderungen der Linken, die gar eine Petition für ein Flüchtlingskontingent eingereicht hat.

«Ich verstehe diese Forderung, aber wir müssen realistisch sein. Die Schweiz kann nicht alleine über ein Asylprogramm entscheiden, diese Aufgabe muss die UNO übernehmen», so Asylministerin Karin Keller-Sutter (57). Das Thema bleibt hochaktuell, denn Aussenminister Ignazio Cassis (60) war am Montag Gastgeber der Afghanistan-Geberkonferenz in Genf.

Im Blick-Pong diskutieren SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (33) und FDP-Vizepräsident Philippe Nantermod (37) über das Thema. Frau Meyer, warum wollen Sie, dass die Schweiz die Rolle der humanitären Organisationen übernimmt?

Niemand fordert einen Alleingang der Schweiz im Afghanistan-Konflikt. Das Flüchtlingshilfswerk der Uno hat diese Woche sichere Staaten wie die Schweiz aufgerufen, besonders verletzliche Geflüchtete aus Afghanistan aufzunehmen. Die Situation ist dramatisch. Der Ball liegt nun beim Bundesrat. Er kann und soll gemeinsam mit internationalen humanitären Institutionen und Partnerstaaten unverzüglich darauf hinarbeiten, gefährdeten Menschen Schutz zu bieten. Zusätzlich zur dringend benötigten Hilfe vor Ort. Können die gefährdeten Afghanen und Afghaninnen auch mit deiner Unterstützung rechnen, Philippe?

Die Schweiz ist Teil des Schengen-Dublin-Systems. Die Regeln des Asylrechts sind eindeutig: Flüchtlinge müssen zunächst in ihrem eigenen Land Asyl beantragen, dann im Ausland. Und zwar im Prinzip in den nächstgelegenen Staaten, was logisch ist. Es wird wahrscheinlich neue afghanische Flüchtlinge in der Schweiz geben, aber es ist nicht die Aufgabe unseres Staates, Menschen zu holen, um das humanitäre Gewissen der Schweizer Linken zu befriedigen. All dies ist Gesetz, das vom Volk immer wieder gestützt wird. Stört dich das so sehr?

Die SP hat gemeinsam mit der FDP und dem Stimmvolk auch Ja gesagt zur Uno. Und diese Uno hat ein Resettlement-Programm, mit dem besonders schutzbedürftige Geflüchtete in einem sicheren Land aufgenommen werden sollen. Das betrifft eine kleine Minderheit aller 80 Millionen Menschen auf der Flucht. Der allergrösste Teil der Flüchtlinge bleibt im Herkunftsland oder in einem Nachbarstaat. Deshalb braucht es auch mehr Hilfe vor Ort. Oder dient das von deiner geschützten, privilegierten Warte heraus auch nur dazu, das «linke Gewissen zu beruhigen»?

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Die Uno-Programme sind in der Schweiz noch nicht Gesetz. Dennoch spielt unser Land eine wichtige Rolle in der weltweiten Asylpolitik. Aber es ist nicht dasselbe, denjenigen, die darum bitten, Asyl zu geben und künftige Asylbewerber aus ihren Heimatländern selbst in die Schweiz zu holen. Was heute wirklich wichtig ist, ist Hilfe vor Ort. Und genau das tut die Schweiz. Ignazio Cassis hat gar beschlossen, die Unterstützung zu erhöhen – das ist verantwortungsvolle und wirksame Politik.

Es freut mich, dass die FDP für einmal eine Aufstockung der wichtigen Hilfe vor Ort unterstützt. Als ich einen zusätzlichen Beitrag für dringend benötigte Lebensmittelhilfe für Millionen Geflüchteten aus Syrien, dem Jemen und dem Südsudan gefordert habe, hat die FDP einstimmig abgelehnt. Auch damals hat die Uno verzweifelt um Hilfe gebeten. Aber es gibt noch mehr, was der Bundesrat tun kann: Er könnte von sich aus abgewiesenen afghanischen Asylsuchenden ein Aufenthaltsrecht gewähren. Schliesslich können sie in absehbarer Zeit nicht zurück.

Wenn nur die Linke die Entwicklungshilfe unterstützen würde, gäbe es in der Schweiz keine. Aber wir wollen vernünftige und verträgliche Massnahmen. Das Recht auf Asyl ist ein individuelles Recht, kein kollektives. Es wird also nicht einer gesamten Bevölkerung gewährt, sondern muss für jede Person, die vor Verfolgung flieht, von Fall zu Fall geprüft werden. Ich weiss, dass das vielleicht nicht der Agenda der SP entspricht, aber so ist es in unserem demokratisch bestimmten Gesetz definiert. Das gilt auch für internationale Verträge. Es gibt also kein allgemeines Recht auf Asyl aufgrund der Staatsangehörigkeit.

Es wird immer eine individuelle Prüfung geben. Heute leben abgewiesene Asylsuchende aus Afghanistan in prekären Notunterkünften, ohne Perspektiven. Diese Menschen werden in absehbarer Zeit nicht nach Afghanistan zurückgehen können. Sollen sie deiner Meinung nach ohne Arbeitsmöglichkeiten und Zukunftschancen hierbleiben? Diese Abwehrhaltung hat leider System bei der FDP: Das Departement eurer zuständigen Bundesrätin Karin Keller-Suter war bis vier Tage (🤯) vor der Einnahme von Kabul bereit, Geflüchtete dorthin zurückzuschicken. Unfassbar!

Das sind doch zwei völlig unterschiedliche Themen: die Frage der Flüchtlinge in der Schweiz und die Frage, ob man zusätzlich welche ins Land. Zwei verschiedene Debatten mit verschiedenen Antworten. Wenn es mir vernünftig erscheint, dass wir heute keinen Afghanen zurückschicken können, der in seinem Land in Gefahr wäre, dann gibt es keinen kulturellen oder geografischen Grund, warum Europa oder die Schweiz das bevorzugte Ziel für Afghanen sein sollte, die vor der neuen Realität in ihrem Land fliehen. Es mag traurig sein, aber es ist real.

Das ist der Blick-Pong

Deutschschweiz und Romandie ticken einfach anders – auch in der Politik. Wie sehr, zeigt sich im neuen Format Blick-Pong.

Dabei duellieren sich je zwei Politiker über den Röstigraben hinweg – und zwar per Whatsapp. Das Thema wird von der Blick-Redaktion vorgegeben und dann geht es los. Ist fertig gestritten, wird der Chat veröffentlicht.

Für den Blick-Pong schreiben im Wochenwechsel folgende Duos:

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