Die Schweizerinnen und Schweizer sagen Nein zum CO₂-Gesetz – und jetzt ist guter Rat teuer. Denn ohne irgendwelche konkreten Massnahmen wird unser Land die Klimaziele verfehlen. Also muss die Politik andere Möglichkeiten finden.
Aber zuallererst, lieber Martin Candinas: Hat sich die ländliche Bevölkerung, die für das Nein verantwortlich ist, damit nicht ins eigene Knie geschossen? Dürren und Murgänge kommen in der Stadt ja eher selten vor.
Als Bergler weiss ich aus Erfahrung, dass die ländliche Bevölkerung per se sich nicht ins eigene Knie schiesst. Die Berg- und Landbevölkerung sagt vielleicht aber nicht so schnell Ja😉 Die Agrar-Initiativen haben viele Leute – gerade auf dem Land – provoziert und mobilisiert. Dazu kommt die exponentielle Zunahme des Wolfsbestandes.
Die Antwort auf Bundesebene ist eine kosmetische Anpassung der Jagdverordnung, die nichts bringen wird. Damit schafft man kein Vertrauen. Für viele Menschen sind das die echten Herausforderungen, die nach Lösungen rufen. In einer solchen Zeit steigt natürlich die Skepsis gegenüber noch mehr Abgaben und Einschränkungen.
Das sage ich, obwohl ich mich für das CO₂-Gesetz engagiert habe. Die Skepsis war aber auch in städtischen Kantonen gross, wenn ich unsere Kantone vergleiche. Graubünden sagte zum CO₂-Gesetz Nein mit 53 Prozent, Waadt sagte Ja mit nur 53 Prozent. Der Unterschied ist sehr gering. Oder nicht Léonore?
Die Gründe für das Scheitern des Gesetzes sind vielfältig und in einem Punkt gebe ich dir Recht: Es gab, vor allem in ländlichen Gegenden wie der unseren, eine Anti-Öko-Mobilisierung, die das Kind mit dem (verunreinigten) Bade ausgeschüttet hat.
Die sehr liberale Vorlage, die das Parlament ausgehandelt hat, hat die Menschen nicht überzeugt. Die Mittel für Investitionen in die Energiewende müssen jetzt woanders gefunden werden, wenn die Verursacher nicht zahlen. Wir müssen uns nun anderen, vielleicht weniger liberalen Lösungen zuwenden.
Der Staat muss Steuergelder unter anderem in Nachtzüge und energetische Sanierung investieren. Die Grünen haben die Teile des Gesetzes, die unbestritten waren, bereits erneut eingebracht, um so schnell wie möglich voranzukommen. Aber wir müssen auch über Verbote nachdenken (haben wir keine Angst vor Worten): Es gibt in der Tat Technologien, die zu gefährlich für das Klima und den Menschen sind – sie müssen verboten werden.
Zum Beispiel sind SUVs, mit Ausnahmen für Profis, die sie wirklich brauchen, nur Maschinen, die die Umwelt verschmutzen und für andere Verkehrsteilnehmer gefährlich sind. Gehst du da mit mir einig?
PS: Ah und gut gemacht, das Wolfs-Argument musste ja kommen 😉 🐺💚.
Auch ich habe kein Verständnis für die massive Zunahme an SUVs und würde nie eine solche «Maschine» kaufen. Ein Seat Alhambra genügt vollkommen. Mit drei Kindern (mit Kindersitz) konnte ich nicht ein kleineres Auto kaufen. Ich bitte um Nachsicht 😉
Wir müssen jetzt mehr Anreize schaffen. Ich teile deine Meinung, dass wir energetische Sanierungen noch mehr fördern müssen und vor allem müssen wir den öffentlichen Verkehr weiter ausbauen. Es wird in Zukunft nicht weniger, sondern mehr ÖV brauchen. Wir müssen mehr Mittel für den internationalen Verkehr (inkl. Nachtzüge), aber auch im Strassen-ÖV mehr Mittel für die Umstellung von Dieselbussen auf umweltfreundliche und nichtfossile Busse. In diesem Bereich finden wir uns.
Eines müssen wir uns aber auch bewusst sein. Wenn wir immer weniger fossile Energien verbrauchen, brauchen wir mehr Strom. Was heisst das für uns? Wir müssen die Produktion von erneuerbarer Energie massiv erhöhen. Wir haben Sonne, Wind, Holz und Wasser. Das Problem ist nur, dass wir betreffend Wasserkraftausbau mit dem Rücken zur Wand stehen. Bei jedem Projekt gibt es Beschwerden der Natur- und Umweltorganisationen. Mich ärgert dies gewaltig!
Wer drei Kinder hat, verdient Nachsicht, lieber Martin. Ich habe kein Auto, aber ich komme aus dem Norden der Waadt und ich weiss, dass das Landleben nicht immer das erlaubt, was ich als Komfort und Sicherheit empfinde. Ich unterstütze die Entwicklung des öffentlichen Verkehrs voll und ganz, aber wir müssen bedenken, dass wir in einer endlichen Welt leben. Es gibt kein endloses Wachstum, egal wie grün oder «nachhaltig» es ist: Wir müssen unseren Ressourcenverbrauch reduzieren, reduzieren, reduzieren.
Bei der energetischen Sanierung sind wir uns einig, aber wir müssen auch die Hersteller zwingen, sich für Objekte zu entscheiden, die wenig verbrauchen, gegen die programmierte Obsoleszenz kämpfen usw. Parallel zum öffentlichen Nahverkehr müssen wir daher den ländlichen Raum wieder beleben – damit die Menschen dort vor Ort einkaufen, arbeiten und leben können.
«Mehr, mehr, mehr» wird den menschlichen Lebensraum nicht retten, auch nicht mit mehr Energie. Und vergessen wir nicht, dass das Klima allein nur eine von neun natürlichen Grenzen unseres Planeten ist. Noch bedrohlicher ist der Zusammenbruch der Artenvielfalt. Ein Problem zu lösen, indem man ein anderes, noch gefährlicheres schafft/verstärkt, mit Dämmen überall, ist wirklich nicht die richtige Lösung. Die Solarenergie hat viel Raum für Verbesserungen, das ist wahr, aber wir sollten uns darauf konzentrieren, unseren Verbrauch zu reduzieren. Glückliche Nüchternheit ist kein leeres Wort 😌.
Den Ressourcenverbrauch reduzieren, ist einfacher gesagt als gemacht. Hier ist Selbstverantwortung angesagt. Und ich bin einfach nicht sicher, ob die Linken und Grünen mehr Verantwortung übernehmen als alle anderen. Auch die Grünen tragen heute nicht nur Wollpullover und Sandalen, sondern moderne Kleidung aus dem Ausland und haben Handy und Laptop.
Ich bin mit dir aber einig, dass wir den ländlichen Raum mehr revitalisieren müssen. So ist es auch besser, wenn die Zweitwohnung in der Schweiz ist, als in Frankreich oder Italien😊 Aber auch diesbezüglich werden wir wegen den Umweltorganisationen enorm eingeschränkt. Auch die Agrarinitiativen, die gottlob abgelehnt wurden, wären kontraproduktiv gewesen.
Wir müssen die Liebe zur Heimat, zu den eigenen Produkten und zur heimischen Energie finden! Dazu zählt natürlich nicht nur die Wasserkraft, sondern auch die Solarenergie. Du hast recht. Wir müssen mächtig Gas geben. Im Sommer produziere ich sogar mit meiner kleinen Photovoltaikanlage auf dem Dach mehr Strom, als was ich mit meiner Familie brauche. Das Problem ist das Winterhalbjahr.
Es braucht einen Massnahmenplan und mehr Unterstützungsbeiträge. In zehn Jahren muss die Mehrheit der Dächer zur Energiegewinnung genutzt werden. Eine Reduktion ist für mich nur mit technologischem Fortschritt vorstellbar.
Bitte Martin, nicht das Klischee von Sandalen und grauen Wollpullovern 🙄 Du weisst sehr gut (?), dass lokale und grüne Produkte nicht zu dieser traurigen Vorstellung passen und dass dieses Thema über die individuelle Verantwortung hinausgeht. Es ist das System, das sich ändern und es jedem leicht machen muss, die richtigen Entscheidungen für die Umwelt zu treffen.
Wir müssen auf die Produktion einwirken und nicht immer auf die Köpfe derer einschlagen, die konsumieren. Das ist es, was mit dem CO₂-Gesetz schief gelaufen ist. Das ist auch das, was die Grünen mit unserer Green Economy Initiative vorgeschlagen haben. Bei der Energie ☀️ sind wir einverstanden. Aber wie viel Geld investieren wir, um dieses Ziel zu erreichen?
Die Mitte ist bereit, mehr Geld für die Förderung der Produktion von erneuerbaren Energien zu sprechen. Darum haben wir in der Sommersession die Umsetzung der parlamentarische Initiative von Kollege Girod unterstützt. Es ist jetzt am Bundesrat, das Preisschild zu berechnen.
Auch unterstützen wir weiterhin Beiträge des Bundes in Forschung und Entwicklung. Beim Gebäudeprogramm und beim Ausbau und bei der Umstellung des ÖV sind wir ebenfalls aktiv. In der Klimapolitik sind wir ein zuverlässiger Partner.
Es braucht keine Volksinitiativen, sondern Mehrheiten im Parlament und im Volk. Eine Green Economy Initiative ist chancenlos und kontraproduktiv. Sämtliche Massnahmen können aber nicht nur umweltpolitisch, sondern müssen auch wirtschafts- und sozialpolitisch angeschaut werden.
Selbst das CO₂-Gesetz hätte nicht gereicht, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Zur Erinnerung: Ab einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad wird die Hälfte der Menschheit sterben!!!!
Wir müssen viel ehrgeiziger sein als der weiche Konsens, zu dem die Mehrheit des Parlaments nun bereit ist. Dieser basiert auf einer ultraliberalen Vision von Lösungen, welche die Bevölkerung nicht überzeugt und welche die Vermögensungleichheit nicht angeht, die ein Problem für das Klima darstellt (wir haben es nicht einmal geschafft, Privatjetflüge richtig zu besteuern... 🤦🏻♀️).
Unser Planet hat nicht endlose Kapazitäten. Und wir sollten keine Entscheidungen mehr treffen, die diese Grenzen überschreiten. Deshalb unterstütze ich die Initiative der Jungen Grünen für mehr Umweltverantwortung. Auf diese Weise sollten absurde Entscheidungen wie die Vergrösserung der Autobahnen à la Los Angeles nicht mehr möglich sein.
Aber liebe Léonore, wenn das CO₂-Gesetz nicht mehrheitsfähig war, wird ein noch griffigerer Vorschlag erst recht chancenlos sein. Meines Erachtens war das CO₂-Gesetz nicht sonderlich liberal. Die Mitte hätte es gerne ein bisschen liberaler gesehen.
Trotzdem habe ich mich für das CO₂-Gesetz engagiert, weil auch ich der Meinung bin, dass die Schweiz im Klimaschutz mehr machen muss. Ideologie mag die eigenen Wähler befriedigen, aber keinen Beitrag zu einer klimafreundlicheren Welt leisten. Nur mehrheitsfähige Lösungen bringen uns weiter. Das ist das reizvolle an der direkten Demokratie.
Ein Netto-Null CO₂-Ausstoss bis 2050 bleibt auch das Ziel der Mitte-Partei. Aber es ist wirklich falsch, absolute Weltverbesserer sein zu wollen und damit wirtschaftlich und gesellschaftlich unterzugehen. Unser Planet hat wahrlich endliche Kapazitäten, aber die Schweiz produziert rund ein Promille des weltweiten CO₂-Ausstosses. Damit möchte ich nur sagen: Die Schweiz ist wie alle Länder in der Pflicht, aber der Beitrag, den sie leisten kann, ist im weltweiten Vergleich bescheiden!
Du hast Recht: Wir müssen Lösungen finden, die das Volk auch mitträgt. Und um das zu tun, müssen sie jene Sektoren treffen, die viel gegen das Klima und wenig für die Bevölkerung tun, wie zum Beispiel der Finanzsektor, der in der Schweiz sehr mächtig ist. In diesem Sinne hat die Schweiz eine sehr grosse Verantwortung auf globaler Ebene.
Die Schweiz wird betroffen sein, besonders die Bergregionen, die uns so am Herzen liegen, lieber Kollege. Das ist es, was sie in den wirtschaftlichen und sozialen Abstieg stürzen wird. Ich hoffe, dass unser Urlaub in der Schweiz in diesem Sommer uns inspirieren wird, effektive und faire Lösungen für alle zu finden. Hoffentlich kreuzen sich unsere Wege in der Ostschweiz 😎🍹.
Schön kommst du diesen Sommer in die Ostschweiz, respektive die Südostschweiz. Très sympathique!
Deutschschweiz und Romandie ticken einfach anders – auch in der Politik. Wie sehr, zeigt sich im neuen Format Blick-Pong.
Dabei duellieren sich je zwei Politiker über den Röstigraben hinweg – und zwar per Whatsapp. Das Thema wird von der Blick-Redaktion vorgegeben und dann geht es los. Ist fertig gestritten, wird der Chat veröffentlicht.
Für den Blick-Pong schreiben im Wochenwechsel folgende Duos:
- SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (33, ZH) vs. FDP-Vizepräsident Philippe Nantermod (37, VS). Bereits erschienen: «Ist die Schweiz ein Steuerparadies?» und «Soll die Nationalbank unsere Renten retten?»
- Mitte-Nationalrat Martin Candinas (40, GR) vs. die grüne Nationalrätin Léonore Porchet (31, VD). Bereits erschienen: «Soll die Schweiz noch in Panzer investieren?»
Deutschschweiz und Romandie ticken einfach anders – auch in der Politik. Wie sehr, zeigt sich im neuen Format Blick-Pong.
Dabei duellieren sich je zwei Politiker über den Röstigraben hinweg – und zwar per Whatsapp. Das Thema wird von der Blick-Redaktion vorgegeben und dann geht es los. Ist fertig gestritten, wird der Chat veröffentlicht.
Für den Blick-Pong schreiben im Wochenwechsel folgende Duos:
- SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (33, ZH) vs. FDP-Vizepräsident Philippe Nantermod (37, VS). Bereits erschienen: «Ist die Schweiz ein Steuerparadies?» und «Soll die Nationalbank unsere Renten retten?»
- Mitte-Nationalrat Martin Candinas (40, GR) vs. die grüne Nationalrätin Léonore Porchet (31, VD). Bereits erschienen: «Soll die Schweiz noch in Panzer investieren?»