Agrar-Experte erklärt, wie wir sie loswerden
«Pestizide sind zu billig»

Dänemark hat geschafft, worüber die Schweiz noch streitet: Das Land hat den Einsatz von Pestiziden massiv reduziert. Wie, das erklärt Agrarexperte Robert Finger.
Publiziert: 19.09.2020 um 23:50 Uhr
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Aktualisiert: 12.12.2020 um 20:11 Uhr
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Dänemark hat den Einsatz von Pestiziden massiv reduziert.
Foto: Keystone
Camilla Alabor

Zu viele Pestizide, zu viel Dünger. Die intensive Landwirtschaft belastet Tiere, Pflanzen und Menschen. Es geht auch anders, sagt ­Robert Finger (39). Er ist Professor für Agrarökonomie an der ETH und Co-Autor einer neuen Studie*, die einen Weg hin zu einer ­umweltfreundlicheren Landwirtschaft aufzeigt.

Herr Finger, Sie sagen: Die Bauern allein könnten das Pestizid-Problem nicht lösen. Wie meinen Sie das?
Robert Finger:
Wir diskutieren oft darüber, wie eine nach­haltigere Landwirtschaft aussehen muss. Zu Recht! Doch es reicht nicht, nur auf die Bauern zu fokussieren. Wir müssen uns überlegen: Was wollen die Konsumenten? Und über welche Hebel kann die Politik Einfluss nehmen? Heute gibt es zum Beispiel zu wenige Anreize, toxische Pestizide zu ersetzen. Hier müsste man ansetzen.

Sie wollen besonders schädliche Pestizide höher besteuern?
Heute sind Pestizide zu billig. Eine Lenkungsabgabe würde einen Anreiz schaffen, für Mensch und Umwelt gefähr­liche Mittel möglichst zu vermeiden. Weniger schädliche Mittel würden dagegen weniger stark besteuert. So wie in Dänemark: Dort ist es der Politik gelungen, die Risiken des Pestizid-Einsatzes innerhalb von fünf Jahren um mehr als 30 Prozent zu reduzieren.

Nur dank höheren Abgaben?
Nein, die dänische Strategie umfasst drei Pfeiler. Erstens hat die Politik ein klar messbares Reduktionsziel festgelegt. Bildlich gesprochen, hat man gesagt: Heute sind wir bei hundert, künftig wollen wir bei fünfzig sein. Zweitens gibt es eine Lenkungsabgabe, je nach Toxizität der Mittel. Und drittens herrscht volle Transparenz: Jeder Landwirt erhebt, wie viele Pestizide er wo ausbringt. So sieht man auf einer Karte, welches die ­lokalen Problemzonen sind.

Der Ständerat hat eine Lenkungsabgabe auf Pesti­zide eben abgelehnt. Auch eine Transparenzpflicht dürfte bei den Bauern auf wenig Begeisterung stossen.
Das Nein zu Lenkungsabgaben ist eine verpasste Chance. Der zweite Punkt wäre relativ einfach umsetzbar. Schon heute hält jeder Landwirt in einem Buch fest, wie viele Mittel er ausbringt. Hier bräuchte es eine digitale Lösung.

Welche Rolle spielen neue Technologien?
Eine wichtige – der Einsatz von Pestiziden kann damit massiv reduziert oder ganz vermieden werden. Ein schönes Beispiel ist die Firma Ecorobotix aus Yverdon: Deren Roboter erkennt den Unterschied zwischen Unkraut und Nutzpflanze und spritzt das Pestizid nur aufs ­Unkraut. Der Einsatz von Pestiziden wird um 90 Prozent re­duziert. Solche Lösungen sind aber oft zu teuer.

Und wie sieht die Landwirtschaft der Zukunft aus?
Nachhaltiger. So wird die ­konventionelle Landwirtschaft vermehrt Methoden aus dem Bio-Landbau übernehmen. Das wiederum hilft, den Einsatz ­gefährlicher Pestizide zu re­duzieren. Damit dies aber gelingt, braucht es Anreize, Innovationen, mehr Informationsangebote – und eine stärkere unabhängige Beratung der Landwirte durch Institutionen, die am Pestizidverkauf nicht verdienen.

* Möhring, N.; Ingold, K.; Kudsk, P.; Martin-Laurent, F.; Niggli, U.; Siegrist, M.; Studer, B.; Walter, A.; Finger, R. (2020). Pathways for advancing pesticide policies. Nature Food 1, 535–540.

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