Nach Ende der Herbstsession trifft Blick den früheren Parteipräsidenten der Grünliberalen und Nationalrat, Martin Bäumle (58), im Bundeshaus. Der Zürcher Umweltpolitiker kritisiert den Klamauk der SVP. Er äussert sich zu seinen politischen Ambitionen und den Voraussetzungen für einen Bundesrat aus der GLP.
Blick: Herr Bäumle, Ueli Maurer geht auf Ende Jahr. Was ändert nun – für die GLP und die Bundesratswahl 2023?
Wohl wenig. Das SVP-Mitglied im Bundesrat neben Guy Parmelin wird nicht mehr Ueli Maurer heissen und vermutlich das Kollegialitätsprinzip weniger strapazieren. Die GLP muss bei den Parlamentswahlen gut abschneiden. Gelingt das, kann man über weitere Ambitionen reden.
Parteichef Jürg Grossen hat aber schon angekündigt, mit der GLP in den Bundesrat zu wollen. Dafür müssten die Grünliberalen aber in den Ständerat einziehen. Mit Ihnen in Zürich?
Mich würde es extrem reizen, als Ständerat zu arbeiten, ja. Dennoch habe ich mich entschieden: Ich werde nicht kandidieren. Bekanntlich steht auch eine Kandidatur von Tiana Moser im Raum. In vielen Gesprächen mit ihr und anderen ist klar geworden, wir beide würden das Amt sehr gerne ausüben. Letztlich zeigt sich aber: Bei der derzeitigen Ausgangslage hat Tiana die klar besseren Chancen. Also unterstütze ich ihre Kandidatur nun voll.
Weil sie eine Frau ist?
Die Konstellation ist so, dass die GLP mit ihr gewinnen kann. Daniel Jositsch wird problemlos bestätigt werden. Das Rennen läuft also nur um den Sitz des abtretenden Ruedi Noser. Und ich denke, dass Regine Sauter für Tiana Moser im zweiten Wahlgang schlagbar ist.
Sie müssen diesen Sitz unbedingt holen. Nirgendwo sonst hat die GLP eine Chance.
So schwarzweiss wie der Blick sehe ich das nicht. Aber ja, in anderen Kantonen ist die Hürde noch höher.
Wenn Sie sich beim Stöckli zurückziehen, können Sie dafür Bundesrat werden, nicht?
Nein danke! Ich will keinen 365-Tage-Job mehr angehen! Klar ist: Die Grünen könnten rechnerisch auf Kosten der SP einen Regierungssitz beanspruchen. Wir hingegen könnten einen der beiden FDP-Sitze beanspruchen – sofern wir nach den Wahlen 2023 im Ständerat vertreten sind. Damit hätten wir eine neue Konkordanz, die dem Willen der Wählerschaft mehr entspricht.
Weder SP noch die FDP geben einfach einen Sitz ab. Bisherige Bundesräte werden normalerweise wiedergewählt.
Man muss sich tatsächlich gut überlegen, ob man einen Bundesrat abwählt. Es ist aber möglich, dass nicht alle Bundesratsmitglieder zur Wiederwahl antreten. Eine neue Konkordanz braucht jedoch breite Unterstützung. Die GLP hat noch etwas mehr als ein Jahr Zeit, Gespräche zu führen mit den verschiedenen Parteien. Aussichtslose Kandidaturen bringen nichts.
Im Parlament gelingt es aktuell, mit der Linken und Teilen der Mitte sowie der FPD Mehrheiten für einen ökologischeren Kurs zu bilden.
Manchmal sogar mit SVP-Mitgliedern! Beim Winterstrom war «Herr Grimsel» ja sogar federführend. Aber natürlich gefällt sich die SVP oft in der Rolle «alle gegen uns». Als grösste Partei im Land sollte die SVP mehr Verantwortung tragen. Mit Klamauk kann man keinen Staat machen. Darum hat die SVP trotz ihrer Grösse oft wenig Wirkung.
Mit «Herr Grimsel» sprechen Sie Albert Rösti an, der …
… jetzt als Bundesratskandidat gehandelt wird. Vor wenigen Tagen war er noch der, der Hand geboten hat für den Energiedeal. Nun kann es beim Ausbau des Grimsel-Stausees vorangehen, der Herrn Rösti am Herzen liegt. Er hat gemerkt, man muss sich bewegen, wenn es vorwärtsgehen soll.
Nach einem Richtungsstreit bei den Zürcher Grünen 2004 kam es zu einer Abspaltung des liberaleren Flügels der Partei. Der heute 58-jährige Martin Bäumle formte darauf mit anderen die Grünliberale Partei des Kantons Zürich. Er wurde zu deren Co-Präsident. Und seit Gründung der GLP Schweiz im Sommer 2007 war er zehn Jahre lang der Präsident der nationalen Partei. Bäumle gehört seit Dezember 2003 dem Nationalrat an.
Nach einem Richtungsstreit bei den Zürcher Grünen 2004 kam es zu einer Abspaltung des liberaleren Flügels der Partei. Der heute 58-jährige Martin Bäumle formte darauf mit anderen die Grünliberale Partei des Kantons Zürich. Er wurde zu deren Co-Präsident. Und seit Gründung der GLP Schweiz im Sommer 2007 war er zehn Jahre lang der Präsident der nationalen Partei. Bäumle gehört seit Dezember 2003 dem Nationalrat an.
Beim Rettungsschirm hat die SVP nicht Hand geboten. Sie war dagegen, die Axpo mit vier Milliarden zu stützen.
Ich bin froh, ist der Rettungsschirm unter Dach und Fach. Noch stützen wir die Axpo nicht. Der Markt und Axpo wissen jetzt aber, die Hilfe kommt, wenn sie nötig wäre.
Die Axpo gehört den Kantonen. Der grösste Aktionär ist Zürich, zu dem die Elektrizitätswerke des Kantons Zürich (EKZ) zählen. Sie sitzen im VR der EKZ. Wie gross ist Ihre Mitschuld an der Lage der Axpo?
Null! Genau das ist das Problem: Trotz einer 18-Prozent-Beteiligung haben wir null Einfluss! Blinder Aktionismus wäre dennoch fehl am Platz. Niemand konnte die enormen Strompreissteigerungen voraussehen. Jetzt muss man sich überlegen, wie man verhindern kann, dass nochmals ein Stromkonzern in solch eine Lage gerät.
Magdalena Martullo kritisiert, die Kantone hielten gern die Hand für die Axpo-Dividenden auf. Jetzt aber waschen sie ihre Hände in Unschuld. Hat sie nicht recht?
Nein, fast überall nicht. Sie versteht mutmasslich den Strommarkt nicht. Ich teile aber ihre Sicht, dass die Eigner ihre Haltung überdenken sollten. Ein Kanton hat zwar aktienrechtlich keine Verantwortung, moralisch aber schon. Und: Er hat nichts zu sagen bei der Axpo, soll aber haftbar gemacht werden. Das müssen wir anschauen.
Sollten die Kantone wieder eigene Leute in die Verwaltungsräte entsenden?
Nein, die Profis sitzen bei den Elektrizitätswerken. Sie sollten näher an der Axpo sein. Es braucht eine engere Verflechtung zwischen den EWs und dem Stromriesen. Es kann nicht sein, dass die EKZ ihren Strom am Markt beschafft statt bei der Axpo und die Axpo wiederum ihren Strom an den Markt und nicht den EWs liefert. Hier sollten wir über die Bücher.
Sitzen denn die richtigen Leute im Axpo-Verwaltungsrat? Mit Ständerat Jakob Stark und dem früheren Grossrat Martin Keller sind ja zwei SVPler im Verwaltungsrat. Sollte man diese abberufen?
Es ist schon erstaunlich, dass ausgerechnet die SVP, die die Axpo massiv kritisiert, die zwei einzigen politischen Vertreter stellt. Ob das weiterhin so sein soll, muss die SVP selbst wissen. Ich selbst würde mir Gedanken machen, sollte ich derart angeschossen werden wie die beiden. Aber eben, die Gründe für die missliche Lage der Axpo sind andernorts zu suchen. Auslöser ist die Energieknappheit in Europa. Der Überfall Putins auf die Ukraine hat die Strompreise dann endgültig explodieren lassen.
Der Ukraine-Krieg treibt Sie besonders um – und Ihre Haltung dazu sorgt für Kontroversen. Wie ist Ihre aktuelle Einschätzung des Kriegs?
Die Eskalation der letzten Tage bereitet mir grosse Sorgen: Erst die russische Mobilmachung. Dann die illegalen Referenden, die Tatsachen schaffen sollen. Darauf die mutmasslichen Explosionen an der Pipeline. Und nun die Drohung mit dem Atomerstschlag, die leider ernst zu nehmen ist. Inzwischen sind die Positionen auf beiden Seiten derart verhärtet, dass Verhandlungen immer schwieriger werden.
Man hört von Erfolgen der ukrainischen Seite. Stimmen Sie diese Meldungen nicht hoffnungsvoll?
Nein. Noch immer sind es die Menschen in der Ukraine, die hauptsächlich von den Kriegshandlungen betroffenen sind. Aber nicht nur diese Menschen, sondern uns alle in Europa, müssen die jüngsten Entwicklungen beunruhigen. Ich hoffe, die Ukraine überschätzt ihre Möglichkeiten nicht zu sehr und Herr Putin gerät nicht derart in die Defensive, dass er sich nur noch mit einer für uns alle folgenschweren Entscheidung zu helfen weiss.
Sie befürchten wirklich einen Atomschlag?
Die Lunte am Pulverfass wird immer kürzer! Es muss gelingen, diese Eskalation zu stoppen, bevor es zu spät ist, ja.