Sie wittern Panikmache und fürchten den Impfzwang: Der Verein «Freunde der Verfassung» lancierte am Dienstag das Referendum gegen das Covid-19-Gesetz. Die Gruppe, die nach eigenen Angaben mehr als 1000 Mitglieder hat, wehrt sich dagegen, dass der Bundesrat das Virus nutze, seine Macht auf Kosten des Volks auszubauen.
Zu den Mitgliedern des Komitees gehören bekannte Corona-Skeptiker wie Christoph Pfluger (66), Herausgeber der Zeitschrift «Zeitpunkt», der bereits durch umstrittene Aussagen zur 5G-Technologie aufgefallen ist. Auch der Zürcher Kantonsrat Urs Hans trägt das Referendum mit. Die Grünen hatten ihn im Juni aus der Partei geworfen, nachdem er verschwörungstheoretische Aussagen zum Coronavirus gemacht hatte.
Insgesamt, so Pfluger, habe das Referendum mehr als 28'000 Unterstützer – Menschen, die zugesagt haben, zu unterschreiben, selbst Unterschriften zu sammeln und die Kampagne finanziell zu unterstützen. «Wir gehen davon aus, dass wir die Unterschriften schnell zusammen haben.»
Notrecht sei nicht mehr nötig
Da die «Gesundheitskrise» – die Gegner vermeiden es, das Wort Pandemie zu benutzen – bewältigt sei, geben es keinen Grund für dieses unnötige Gesetz, finden sie. Denn eigentlich ginge es darum, dem Bundesrat zu erlauben, weiter «durchzuregieren». Das Referendum wolle den Trend zur Entmachtung des Souveräns brechen, so Marion Russek, Co-Präsidentin des Vereins.
Dafür ist ihr nicht einmal der Griff zur Nazikeule zu schade: Der Bundesrat gebe sich mit dem Covid-Gesetz ein «Ermächtigungsgesetz». Mit diesem ging 1933 die gesetzgebende Gewalt in Deutschland faktisch vollständig an Adolf Hitler über. Russek weiter: «Wir trauen dem Bundesrat zu, dass der das befristete Gesetz Ende 2021 mit irgendwelchen Gründen verlängern wird», so Russek.
Bundesrat und Parlament sehen das anders: Das Covid-Gesetz wurde nötig, weil viele Corona-Massnahmen im Notrecht eingeführt wurden – das heisst durch eine bundesrätliche Verordnung und ohne Absegnung des Parlaments. Um diese Massnahmen in ordentliches Recht zu überführen, wurde in der Herbstsession das Covid-Gesetz verabschiedet – ohne nennenswerten Widerstand.
Corona als «Marketing-Phänomen»
Doch das Referendumskomitee traut dem nicht – wie seine Mitglieder ohnehin eher auf der skeptischen Seite zu verorten sind. Hans etwa wittert hinter der Pandemie die Behörden und Pharmaindustrie, die die «Alternativmedizin an die Wand fahren». Die Bevölkerung werde einer gezielten Angstkampagne ausgesetzt. Dabei strecke man auch vor Wissenschaftsbetrug nicht zurück.
Das sieht auch der Allgemeinmediziner und Homöopath Björn Riggenbach aus Neuenburg so. Er sagte, die Panikmache der Behörden stimme nicht mit seinen Erfahrungen überein. Er selbst habe in seiner Praxis gerade einmal zwei Corona-Patienten gehabt. Corona sei vor allem ein «Marketing-Phänomen». Mit Medizin oder Wissenschaft habe das nichts zu tun. «Die Krise ist vorbei», so der Arzt.
Riggenbach wiederholt in der Folge bekannte Aussagen der Corona-Skeptiker, etwa dass Masken nicht gegen Viren schützen würden. Daher würden ja auch in Kantonen, in denen weitgehende Maskenpflicht bestehe, die Zahlen steigen. Allerdings widerspricht er sich hier: Wie kann die Pandemie vorbei sein, wenn doch gleichzeitig die Fallzahlen wieder steigen?
Kommt der Impfzwang? Eher nicht
Die Gegner des Gesetzes warnen zudem vor einem Impfobligatorium mit nur schwach geprüften Gen-Impfungen. Hintergrund ist, dass das Gesetz vorsieht, bestimmte Arzneimittel im Schnellverfahren zuzulassen. «Die Bevölkerung würde so zu einem ‹Versuchskaninchen›», warnen sie. Auch dahinter steckt generelle Skepsis: So sagt Riggenbach, dass auch die Grippe-Impfung nur einen «Placebo-Effekt» habe.
Von einem Impfzwang durch das Covid-Gesetz kann allerdings nicht die Rede sein: Denn die gesetzliche Grundlage besteht bereits im Epidemiengesetz, das vom Volk gutgeheissen wurde. Dieses sieht vor, dass die Kantone unter bestimmten Umständen für besondere Bevölkerungsgruppen die Impfung obligatorisch erklären können.
Bundesverfassung schützt die körperliche Freiheit
Was das sein könnte, hat Gesundheitsminister Alain Berset (48) kürzlich erläutert: Ein Obligatorium könne bedeuten, «dass das Personal in einem Altersheim geimpft werden soll, um weiterhin mit älteren Menschen arbeiten zu können», sagte er im SRF.
Klar ist aber: Weder Bund noch Kantone können jemanden zwingen, sich impfen zu lassen. Artikel 10 in der Bundesverfassung schützt nämlich die körperliche und geistige Freiheit jedes Einzelnen. Das heisst für das Pflegepersonal: Wolle eine Mitarbeiterin die Impfung nicht, wird sie anderswo arbeiten müssen – ohne Kontakt mit älteren oder besonders gefährdeten Menschen. Und kann sogar gekündigt werden. (sf)
Wie viele Corona-Neuinfektionen gibt es in der Schweiz? Die täglichen Fallzahlen des BAG gibt es laufend im Statistik-Ticker auf BLICK.
Wie viele Corona-Neuinfektionen gibt es in der Schweiz? Die täglichen Fallzahlen des BAG gibt es laufend im Statistik-Ticker auf BLICK.