Auf einen Blick
- Jositsch kritisiert Bundesratswahl-System und empfiehlt SVP-Ständerat Werner Salzmann
- Vergleicht Schweizer Parlament mit russischer Duma bezüglich Wahlfreiheit
- 2022 und 2023 kandidierte Jositsch für Bundesrat, scheiterte beide Male
Der SP-Ständerat Daniel Jositsch (59) ist mit dem Ticket der Mitte für die Bundesratswahl unzufrieden. Er schaue sich die Kandidaten Markus Ritter (57) und Martin Pfister (61) genauer an, glaube jedoch nicht, dass er jemanden von diesem Ticket wählen werde, so Jositsch im Gespräch mit den Zeitungen von CH Media.
Bei der Wahl des Nachfolgers von Viola Amherd (62) sieht er die Notwendigkeit, dass der neue Bundesrat das Verteidigungsdepartement übernimmt und empfiehlt daher den SVP-Ständerat Werner Salzmann (62). Jositsch sieht in dem Berner Ständerat den idealen Kandidaten. Auf die Frage, ob er dann tatsächlich jemanden der SVP wählen würde, entgegnet er: «Wieso nicht? Mir geht es um die Fähigsten in der Landesregierung.»
Jositsch räumt ein, dass die Konkordanz gefährdet wäre, wenn der Sitz an die SVP geht. Der Zürcher betont, dass es um die Fähigsten in der Landesregierung gehen sollte. Er glaubt, dass man einen Parteienwechsel später ausgleichen könne und die Konkordanz dadurch nicht grundsätzlich infrage gestellt werde.
Vergleicht Wahlverfahren mit russischer Duma
Dabei kritisiert Jositsch Bundesratswahlen generell als undemokratisch und verfassungswidrig. «Ich halte dieses System für undemokratisch», so Jositsch. «Es widerspricht der Verfassung, wenn der Wahlkörper, der nur aus 246 Personen besteht, nicht die Freiheit hat, nach bestem Wissen und Gewissen die geeignetsten Leute zu wählen. Wie das die Verfassung vorsieht.»
Jositsch vergleicht das System des Wahlverfahrens «vom Mechanismus her mit gewissen Diktaturen, zum Beispiel mit der Duma in Russland. Natürlich ist das zugespitzt», so der ehemalige Nationalrat und Ständerat seit 2015. «Die Konsequenzen sind andere. Aber auch in der Duma ist ein Parlamentarier von der Verfassung her frei in seiner Wahl. Er kann diese Freiheit in der Praxis aber selbstverständlich nicht umsetzen. Das ist mit der Bundesratswahl im Schweizer Parlament vergleichbar.»
Das Wahlsystem der Bundesratswahl sei «fragwürdig», so Jositsch, weil es «faktisch einen Ticketzwang vorsieht. Schon die Zauberformel ist eine fragwürdige Einschränkung für die Wahl eines Bundesratsmitglieds.»
«Machtkartell» Zauberformel
«Mit der Zauberformel legte man im Parlament ein Machtkartell fest», erklärt der Ständerat. «Das ist aber in der Verfassung nirgends vorgesehen.» Früher sei das Ticket «ein Vorschlag» gewesen, heute sei es «ein Zwang, der mit massivem Druck gegenüber Kandidierenden und Parlament durchgesetzt wird. Das führt dazu, dass Parlamentsmitglieder nicht mehr frei wählen und kandidieren können.»
2022 hatte Jositsch gegen den Willen seiner Partei für die Nachfolge der abtretenden SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (64) kandidiert. 2023 kündigte er seine Kandidatur für die Nachfolge des abtretenden Bundesratsparteikollegen Alain Berset (52) an, diesmal mit Erlaubnis seiner Partei. Jositsch scheiterte beide Male.
Auf Blochers Linie
Die Diskussion über die Wahlprozedur wird durch die jüngsten Aussagen von SVP-Doyen Christoph Blocher (84) ergänzt, der jetzt einräumt, dass das Parlament auch ausserhalb der Tickets und aus anderen Parteien wählen könnte – eine Position, die sich seit dem Parteiausschluss von Eveline Widmer-Schlumpf (68) geändert hat.
Die Entwicklung, so Jositsch, dass Parlamentsmitglieder nicht mehr frei wählen und kandidieren können, habe 2007 begonnen, als die damalige SVP-Regierungsrätin Widmer-Schlumpf für SVP-Bundesrat Christoph Blocher gewählt wurde – und die SVP Widmer-Schlumpf aus der Partei ausschloss.