Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger (63) wirft in seinem am Dienstag publizierten Tätigkeitsbericht die Frage auf, woraus der Bundesrat das Recht ableite, mit einer Notverordnung das Öffentlichkeitsgesetz aufzuheben. Aus den vorhandenen Informationen lasse sich keine Notwendigkeit ableiten, den Anspruch auf den Nachvollzug der Arbeit der Verwaltung aufzuheben.
Der Zugang zu Dokumenten hätte auch nur so lange beschränkt werden können, bis das Parlament über die Gesetzgebung entschieden hätte, schreibt der Eidg. Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte des Bundes (Edöb). Der Rettungsschirm für die Strombranche und die CS-Notrettung könnten den Einsatz von Steuergeldern «in der Grössenordnung von Milliarden» nach sich ziehen.
Beim mit vier Milliarden Franken dotierten Rettungsschirm für systemkritische Stromkonzerne wehrte sich Lobsiger erfolglos gegen Einschränkungen des Zugangs. Es gehe um sensible Daten, habe das zuständige Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) den Entscheid begründet.
«Neue Dimension der Zurückbindung»
Lobsiger hält dagegen, dass berechtigte private Interessen wie etwa das Geschäftsgeheimnis auch ohne Ausnahme vom Öffentlichkeitsgesetz geschützt werden könnten. Das Gesetz werde unterhöhlt, wenn die Bevölkerung ausgerechnet beim sensiblen Vollzug von Finanzhilfen keinen Zugang zu Dokumenten habe. Schon beim Gesetz über die Covid-19-Solidarbürgschaften sei dies so passiert.
Das Öffentlichkeitsgesetz soll in den Worten des Edöb für Transparenz über die Arbeit der Verwaltung sorgen und damit das Vertrauen in Staat und Behörden fördern – indem beispielsweise Medienschaffende Zugang zu amtlichen Dokumenten erhalten.
Vor den Medien in Bern sprach er am Dienstag von einer «neuen Dimension der Zurückbindung». Der Datenschutz habe zwar die Entscheide des Parlaments zu respektieren, sagte er und verwies darauf, dass das Gesetz für heikle Situationen gedacht sei.
Bedürfnis nach Zugang zu Akten gross
Mit einer laufend aktualisierten Liste der Ausschlüsse vom Öffentlichkeitsgesetz will der Edöb künftig auf sein Anliegen aufmerksam machen. Aufführen will er dort auch die Anträge auf Ausschluss vom Öffentlichkeitsgesetz – und so die Ratsmitglieder vor der Beratung einer Vorlage sensibilisieren.
Das Bedürfnis nach Zugang zu Akten sei weiterhin gross, schreibt Lobsiger. Gegenüber dem Pandemie-Jahr 2021 ging die Zahl der Gesuche um Einsichtnahme in Dokumente 2022 etwas zurück: 1153 Gesuche wurden eingereicht gegenüber 1385 im Vorjahr und insgesamt 1180 erledigt. In gut der Hälfte der Fälle (53 Prozent) wurde der Zugang vollständig gewährt.
In weiteren 20 Prozent wurden Akten teilweise oder verzögert geöffnet und in 8 Prozent aller Fälle der Zugang ganz verweigert. Weitere Gesuche wurden zurückgezogen, waren Ende Jahr hängig oder es gab gar keine amtlichen Dokumente. Deutlich weniger Gesuche als im Vorjahr hatten einen Bezug zur Covid-19-Pandemie.
Rechnung nur bei «besonders aufwendiger Bearbeitung»
65 Prozent höher als im Vorjahr war mit rund 24'600 Franken die Summe der Gebühren, die einzelne Departemente für den Zugang zu Dokumenten verlangten. Zur Kasse gebeten wurden die Absenderinnen und Absender von 29 der 1180 bearbeiteten Gesuche.
Einen Teil ihres Aufwandes für die Zugangsgesuche entschädigen liessen sich die Departemente des Innern, das Wirtschaftsdepartement, das Uvek sowie Justiz- und Polizeidepartement. Die übrigen drei Departemente sowie die Bundeskanzlei erhoben keine Gebühren.
Das Parlament entschied im Herbst 2022, dass die Einsichtnahme in amtliche Dokumente grundsätzlich kostenlos sein muss. Ausnahmsweise eine Rechnung geschrieben darf, wenn die Bearbeitung eines Gesuchs eine "besonders aufwendige Bearbeitung" durch eine Behörde erfordert. (SDA)