Kommt das Beizen-Zertifikat? Bundesrat will es diskutieren
Welche Kantone vorpreschen – und welche noch zögern

Der Kanton St. Gallen denkt laut über eine Ausweitung der Zertifikatspflicht nach. Es könnte bald auch im Restaurant und beim Besuch im Altersheim vorgeschrieben sein. Wie sieht es in Zürich, Bern oder Basel aus? Blick hat die Übersicht.
Publiziert: 24.08.2021 um 00:17 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2021 um 18:33 Uhr
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Bisher braucht man das Covid-Zertifikat in der Schweiz für Clubs und Grossveranstaltungen, wie hier an einem Fussballmatch im St. Galler Kybunpark.
Foto: keystone-sda.ch
Sarah Frattaroli und Lea Hartmann

Lange will der Kanton St. Gallen nicht mehr zuschauen. Die Zahl der Corona-Patienten in den Spitälern ist in den vergangenen Tagen in besorgniserregendem Tempo gestiegen. Geht es so weiter, warnt das Kantonsspital, drohen die Intensivstationen bald an ihre Grenzen zu kommen.

Das will die Regierung unter allen Umständen verhindern. Deshalb wird nun eine Ausweitung der Zertifikatspflicht geprüft, teilte der kantonale Führungsstab am Freitag mit. Nicht nur an Grossveranstaltungen und für Clubs, sondern auch für den Besuch von Restaurants, Bars, kleineren Veranstaltungen sowie von Spitälern und Heimen könnte das Zertifikat Pflicht werden. So will man einen erneuten Lockdown verhindern.

Andere Ostschweizer Kantone an Bord

St. Gallen ist einer der ersten Kantone, die eine Zertifikatspflicht für Beizen und andere Lokalitäten öffentlich in Betracht ziehen. Ausgerechnet der Kanton, der in den vergangenen eineinhalb Pandemie-Jahren eher als Trödler und Zögerer galt. So weigert sich St. Gallen beispielsweise bis heute, regelmässige Tests an Schulen durchzuführen.

Die Kantone Jura und Genf haben zwar eine Zertifikatspflicht im Gesundheitswesen eingeführt. Diese trifft aber deutlich weniger Menschen als die Einschränkung bei den Beizen. Der Kanton Aargau drohte diese Woche mit einem ähnlichen Schritt wie St. Gallen, schränkte aber ein, dass er «eine schweizweite Regelung des Einsatzes des Zertifikats begrüssen würde».

Auch der Kanton St. Gallen will keinen Alleingang wagen. Vielmehr steht er im Austausch mit den anderen Ostschweizer Kantonen, wie Blick weiss. In der Ostschweiz hat sich die Situation in den vergangenen Tagen nämlich besonders rapide verschärft. Der R-Wert – die Zahl also, die angibt, wie viele Personen ein Infizierter im Schnitt schätzungsweise ansteckt – liegt in St. Gallen, Thurgau und Appenzell Ausserrhoden bei rund 2, in Innerrhoden sogar deutlich darüber. Gleichzeitig ist die Impfquote in der Ostschweiz tiefer als im Rest des Landes. Der St. Galler Krisenstab schreibt, die Ausweitung der Zertifikatspflicht wäre «deshalb notwendig, weil die Impfquote im Kanton St. Gallen aktuell zu tief ist». Die St. Galler Regierung diskutiert die Ausweitung der Zertifikatspflicht am Dienstag. Einen finalen Entscheid wird sie dabei aber laut dem «Tages-Anzeiger» noch nicht treffen.

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Warten auf den Bund

Und wie sieht es ausserhalb der Ostschweiz aus? In Uri zum Beispiel, wo die Hospitalisierungen im Verhältnis zur Bevölkerung sogar doppelt so hoch liegen wie in St. Gallen? Dort ist die Zertifikatspflicht in der Beiz aktuell kein Thema. Vielmehr orientiere man sich am Bund, wie Regierungssprecher Adrian Zurfluh sagt: «Allenfalls wird national etwas hinsichtlich Ausweitung des Anwendungsbereichs des Covid-Zertifikats beschlossen.»

Der Bundesrat trifft sich am Mittwoch zu seiner nächsten Sitzung. Genau wie Uri warten auch andere Kantone ab, was die Landesregierung entscheidet, darunter Bern und Zürich. Auch die Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) pocht im «Tages-Anzeiger» auf eine national einheitliche Lösung. GDK-Sprecher Tobias Bär betont: «In der gegenwärtigen Situation mit einer schweizweit ungünstigen Entwicklung sind kantonal unterschiedliche Regelungen wenig zielführend.»

Konkreter wird Basel-Stadt. Sprecherin Anna Lüthi betont, dass die Situation aktuell noch tragbar sei. «Jedoch ist die Dynamik momentan so gross, dass wir, wenn es so weitergeht, nächste Woche eine Ausweitung der Massnahmen ins Auge fassen müssen.»

Neben der Zertifikatspflicht steht auch eine Ausweitung der Maskenpflicht im Raum, so Lüthi weiter. Doch auch Basel-Stadt betont: Eine schweizweite Lösung wäre eleganter, «um eine breite Wirkung zu erzielen». Gehandelt hat bereits das Unispital Basel: Ab Samstag gilt eine Zertifikatspflicht für Besucher.

Kommt es erneut zum Hickhack?

Die Situation erinnert an vergangenen Herbst. Damals riefen die Kantone reihum nach nationalen Massnahmen. Der Bund hingegen forderte die Kantone dazu auf, selber Verantwortung zu übernehmen. Ob es erneut so weit kommt, hängt vor allem vom Fortschritt der Impfkampagne ab. Denn alle angefragten Kantone betonen: Wenn sich genügend Menschen impfen lassen, braucht es auch keine zusätzlichen Massnahmen.

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