Keine Lehren gezogen
Armee leistete unnötige Corona-Einsätze

Die Eidgenössische Finanzkontrolle kritisiert den Einsatz von Dienstleistenden während der ersten Corona-Welle. Es wurden viel zu viele und völlig unkoordiniert Dienstleistende aufgeboten.
Publiziert: 31.03.2022 um 08:12 Uhr
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Aktualisiert: 31.03.2022 um 08:51 Uhr
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Gleich 8000 Armeeangehörige waren in der ersten Corona-Welle zum Assistenzdienst aufgeboten worden.
Foto: Keystone

Es hat schnell gehen müssen in der ersten Corona-Welle im Frühling 2020. In aller Eile wurden Armeeangehörige, Zivilschützer und Zivildienstleistende zu Hilfseinsätzen aufgeboten. In einem neuen Bericht stellt die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) nun fest, dass es dabei an Koordination und an klaren Richtlinien fehlte.

In den ersten beiden Pandemiewellen leisteten Angehörige von Armee, Zivilschutz und Zivildienst über 800'000 Diensttage, die zum Teil an die Dienstpflicht angerechnet werden konnten. Der Erwerbsersatz kostete insgesamt rund 120 Millionen Franken. Hinzu kommen laut EFK rund 20 Millionen zulasten des Bundes für Zivilschutzaufgebote.

Zu viele Soldaten aufgeboten

Vom grössten Armeeaufgebot seit dem Zweiten Weltkrieg hatte im März 2020 Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) gesprochen. Diese Mobilisierung und Eindrücke aus Bergamo (I) hätten damals den Ernst der Lage signalisiert, hielt die EFK fest.

Einsätze seien in der unüberschaubaren Lage grosszügig bewilligt worden, ohne klare Kriterien. Von einem Bedarf der Kantone sei beim Bewilligen ausgegangen worden. In die Bewilligung der Einsätze waren mehrere Stellen involviert, was die Koordination erschwerte.

Zeitweise standen zu viele aufgebotene Armeeangehörige zur Verfügung. Weiter stellte die EFK Fehlanreize fest für Einrichtungen, in denen Dienstpflichtige einsprangen. Denn im Vergleich zu privaten Anbietern habe ihr Einsatz die Spitäler oder Heime sowie die Kantone kaum etwas gekostet.

In einzelnen Fällen hätten Dienstpflichtige Aufgaben von Personal in Kurzarbeit übernommen, schrieb die EFK gestützt auf einen Bericht der «Rundschau» von SRF. Mangels Datengrundlage lasse sich der Umfang solcher Einsätze aber nicht abschätzen.

Keine Lehren gezogen

Die Mängel bei der Koordination seien seit einer Verbundübung zum Thema Pandemie und Strommangellage 2014 bekannt gewesen, aber nicht gelöst worden, hält die EFK fest. «Es stellen sich Fragen bezüglich der wirksamen Umsetzung der Lehren, die aus Übungen gezogen werden.»

In der zweiten Welle zogen die Beteiligten Lehren aus der ersten. Noch bis zu 2500 statt wie in der ersten bis 8000 Armeeangehörige leisteten Assistenzdienst. Die Koordination wurde verbessert. Und Unterstützung wurde nur bewilligt, wenn der Kanton belegte, keine anderen Ressourcen verfügbar zu haben.

Die EFK empfiehlt dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs), der Gruppe Verteidigung und dem Bundesamt für Zivildienst (Zivi), verbindliche Voraussetzungen für künftige Einsätze festzulegen. Seien Armeeangehörige, Zivilschützer und Zivildienstleistende im Einsatz, seien Vorgaben zu Aufgabenteilung und Zusammenarbeit nötig.

Das VBS lässt zu der Frage bis 2023 einen Bericht erstellen, wie es in einer Stellungnahme schreibt. Ein entsprechendes Mandat sei dem Delegierten des Sicherheitsverbundes Schweiz erteilt worden.

Nicht angemessene Aufgebote

Erschwert werden koordinierte Einsätze dadurch, dass Armeeangehörige und Zivildienstleistende dem Bund unterstehen. Der Zivilschutz hingegen ist kantonal organisiert. In Notlagen können aber Zivilschützer vom Bund aufgeboten werden – das geschah laut dem Bericht in der Covid-19-Pandemie zum ersten Mal.

Eine weitere Empfehlung betrifft den Zivilschutz. Der EFK scheint es «nicht angemessen», dass Zivilschützer für planbare Aufgaben wie das Impfen eingesetzt worden sind, die auch andere hätten übernehmen können. Der Bund müsse Massnahmen vorsehen für den Fall, dass Kantone sich nicht an den Grundsatz der Subsidiarität halten.

Das Babs verweist auf den Föderalismus: Der Zivilschutz sei ein strategisches Einsatzmittel der Kantone, und ihnen müsse bei Zivilschutzeinsätzen ein gewisser Spielraum gelassen werden. Aus «Bundesperspektive» sei der Nachweis äusserst schwierig, dass ein Kanton Zivilschützer statt beispielsweise Arbeitslose einsetze.

Rolle des Zivildienstes klären

Nicht geklärt ist laut der EFK die Rolle der Zivis bei der Bewältigung von Notlagen. In den Augen der EFK wäre es wirtschaftlich sinnvoll, Zivildienstleistende als zusätzliche Unterstützung in Betrieben einzubinden. Sie könnten ihre Arbeit fortsetzen, wenn die Einsätze für Armee und Zivilschutz endeten.

Die EFK verwies auf den Bericht zur Alimentierung von Armee und Zivilschutz vom Juni 2021. Demnach will der Bundesrat Zivis künftig verpflichten, einen Teil ihrer Dienstpflicht beim Zivilschutz zu leisten. Das soll helfen, die Zivilschutzunterbestände aufzufüllen. (SDA)

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