Kein Geld für Asyl-Container
Kantone hässig auf ihre Ständeräte

Der Ständerat verweigert den Bau von Flüchtlings-Containerdörfern. Die Kantone, mit der Unterbringung schon heute am Anschlag, haben dafür kein Verständnis.
Publiziert: 04.06.2023 um 12:01 Uhr
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Die Kantone haben keine Freude am Entscheid des Ständerats, den Bau von Containerdörfern für Flüchtlinge zu verweigern.
Foto: Keystone
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Camilla AlaborRedaktorin

Ausgerechnet Beni Würth (55). Der St. Galler Mitte-Ständerat war einst der höchste Vertreter aller Kantone. Und just er ist es nun, der die Kantone gegen sich aufbringt. Mit einem Entscheid, den diese diplomatisch-höflich als «problematisch» bezeichnen – während es hinter den Kulissen brodelt.

Was ist passiert? Am Mittwoch fällt der Ständerat nach kurzer Debatte einen brisanten Entscheid: Er möchte nicht, dass der Bund auf Armeeplätzen Containerdörfer für Geflüchtete bauen kann – und verweigert den entsprechenden Kredit von 132 Millionen Franken.

Bund, Kantone und Gemeinden sind konsterniert: Seit Monaten sind sie mit steigenden Flüchtlingszahlen konfrontiert; seit Monaten suchen alle drei Ebenen händeringend nach Unterkünften. Die Schaffung von 3000 Reserve-Plätzen auf Bundesebene würde das Problem entschärfen.

Doch der Ständerat hat keine Freude daran, dass der Bund den Antrag für den Kredit gar kurzfristig eingebracht hat. Und auch nicht daran, dass diese Reserveplätze ohne Mitsprache der lokalen Bevölkerung geschaffen werden können. Ein solches Vorgehen sei erst dann möglich, wenn die bestehenden Unterkünfte nicht ausreichten, argumentiert Würth. Doch mit den Zivilschutzanlagen stünden dem Bund sehr wohl ungenutzte Unterkünfte zur Verfügung.

Unerwarteter Entscheid

Die bürgerliche Mehrheit des Ständerats folgte dieser Argumentation – und sorgt damit für Ärger in den Kantonen und Gemeinden. «Ich war sehr überrascht über das Nein des Ständerats», sagt Jörg Kündig (63), FDP-Politiker und Vizepräsident des Gemeindeverbandes. «Die Ständeräte sollten eigentlich die Interessen der Kantone vertreten – in diesem Fall haben sie das Gegenteil getan. Die Kantone wären froh, wenn der Bund bei hohen Fallzahlen mehr Platz für Asylbewerber schafft.»

Denn wenn die Unterkünfte des Bundes voll sind, werden die Flüchtlinge vorzeitig an die Kantone zugewiesen – und diese geben sie an die Gemeinden weiter. Wie viele Flüchtlinge kommen werden, ist naturgemäss unbekannt. Doch sollte das «hohe Szenario» des Bundes mit 35 000 Asylsuchenden eintreffen, hätten die Gemeinden ein Problem, so Kündig: «Wir haben schlicht nicht genug Platz, um alle Leute unterzubringen. Die Gemeinden sind schon heute am Anschlag.»

Untaugliche Alternativen

Ähnlich tönt es aus den Kantonen. Müssten die Kantone viele Flüchtlinge vorzeitig vom Bund übernehmen, «würde dies das Fass zum Überlaufen bringen», sagt Karin Kayser-Frutschi (56), Co-Präsidentin der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD). «Ich wünsche mir, dass die Ständeräte mit uns Rücksprache nehmen, bevor sie das Geschäft am Dienstag nochmals behandeln», so die Mitte-Regierungsrätin aus Nidwalden.

Der Vorschlag des Ständerats, die Flüchtlinge in Zivilschutzanlagen unterzubringen, ist laut Gemeindevertreter Kündig untauglich. Die Gemeinden brauchten die Anlagen selber. Zudem bleibe ein Grossteil der Schutzsuchenden langfristig in der Schweiz. Aber, sagt Kündig: «Wir können die Leute nicht zwei Jahre lang in Zivilschutzanlagen unterbringen.»

Ob diese Argumente im Ständerat auf offene Ohren stossen, wird sich am Dienstag zeigen. Beni Würth zeigt sich wenig kompromissbereit: «Ich gehe davon aus, dass der Ständerat bei seiner Position bleibt», sagt er. Doch sollten die Kantonsvertreter den Willen der Kantone tatsächlich ignorieren, hinge einiges mehr als nur der Haussegen schief.

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