Die verlorene Abstimmung zum AHV-Gesetz sorgt bei der Linken weiter für Ärger. Nachdem Nationalrätin Tamara Funiciello (32) aus den eigenen Reihen angegriffen worden ist, bekommt nun auch der eigene Bundesrat sein Fett weg.
Die Jungsozialisten kritisieren Sozialminister Alain Berset (50). Sie fordern ihren SP-Bundesrat auf, die Konsequenzen aus dem knappen Ergebnis bei der Abstimmung über die Erhöhung des AHV-Frauenrentenalters zu ziehen.
Juso-Vize Thomas Bruchez erklärt auf Twitter, Berset hätte sich, ohne das Kollegialitätsprinzip zu verletzen, weniger für die Vorlagen einsetzen können. Dann hätte es laut ihm für die Linke gereicht, bei der AHV-Abstimmung einen Sieg davonzutragen.
Wiederwahl gefährdet
Deshalb stellt Bruchez den Westschweizer Bundesrat sogar infrage. Aus seiner Sicht sollte die SP darüber diskutieren, ob sie Berset noch einmal wiederwählen kann. Sie sollte via Basis eine interne Nomination der Bundesratskandidaten vornehmen – und so künftig verhindern, dass ein ungenehmer Magistrat nochmals antritt.
Zudem fordert der Jungsozialist eine Diskussion darüber, ob die Sozialdemokraten überhaupt noch im Bundesrat verbleiben oder sich gleich ganz aus der Landesregierung zurückziehen sollen. Es zeigt sich deutlich: Bei den Linken herrscht dicke Luft.
Auch Juso-Chef kritisch
Auch Juso-Präsident Nicola Siegrist (25) äussert sich kritisch zur Rolle Bersets. Gegenüber Blick sagt er: «Er hat die unsoziale AHV-Reform in der Öffentlichkeit offensiv verteidigt und damit den Ausschlag für das Resultat gegeben. Das war unnötig.» Er müsse zwar als Bundesrat die kollegiale Position vertreten, aber er könne ja selbst entscheiden, wie stark er diese in der Öffentlichkeit vertreten möchte und wie viele Auftritte er plant.
Weiter will der Juso-Präsident noch nicht gehen. Er bestätigt aber, dass Berset Thema ist bei den Jungsozialisten und dass die Juso im November über ihn und die Regierungsbeteiligung der SP diskutieren werden.
«Kritik ungerechtfertigt»
Gleichzeitig äussert sich Siegrist auch zur internen Kritik an der Co-Präsidentin der SP Frauen Schweiz, Tamara Funiciello (32). Innerhalb der SP war eine Diskussion darüber ausgebrochen, ob die einstige Juso-Präsidentin und heutige SP-Nationalrätin die richtige Frau ist, um an vorderster Front gegen den Abstimmungsentscheid Wind zu machen. Sie hatte in ihrer Juso-Zeit den Widerstand gegen die Rentenreform 2020 angeführt, bei der die Frauen besser weggekommen wären.
Gegenüber Blick hatten sich dann mehrere SP-Fraktionsmitglieder anonym kritisch zu Funiciello geäussert – zum Missfallen des heutigen Juso-Chefs. Siegrist stellt klar: «Das ist nicht nur schlechter Stil, sich anonym mit Kritik an Tamara Funiciello an die Medien zu wenden.»
Vor allem sei die Kritik auch ungerechtfertigt. «Tamara ist massgeblich daran beteiligt, dass die Schweiz eine starke feministische Bewegung hat», so der Juso-Chef. «Ohne sie hätten wir am Wochenende nicht beinahe die schlechte AHV-Vorlage verhindert.» Funiciello setze sich im Parlament und mit den SP Frauen auch zukünftig konsequent für Frauen und gegen soziale Ungleichheiten ein.
«Wir wollen jetzt lieber vorwärtsmachen!»
Funiciello selber hat in den vergangenen Tagen gegen 800 Mails bekommen. Von lobender Unterstützung bis zu heftiger Kritik. Auch aus den eigenen Reihen hat sie Reaktionen erhalten. Die anonyme Kritik aus der eigenen Fraktion sei vor allem auf Unverständnis gestossen, erklärt sie. Selber aber möchte sie das Kapitel nun vor allem abschliessen: «Wir wollen jetzt lieber für die Sache der Frau vorwärtsmachen!»