«Das halten wir vom neuen Jagdgesetz»
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Jägerin vs. Jäger
«Das halten wir vom neuen Jagdgesetz»

Das neue Jagdgesetz sorgt für Diskussionen – auch in Jägerkreisen. Wir haben eine Jägerin und einen Jäger zum Streitgespräch getroffen.
Publiziert: 08.08.2020 um 23:20 Uhr
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Aktualisiert: 15.09.2020 um 19:21 Uhr
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Nina Gansner (41) aus Seewis im Prättigau GR und Hans Schmid (64) aus Arosa GR jagen beide aus Leidenschaft.
Foto: Nathalie Taiana
Interview: Dana Liechti

Das neue Jagdgesetz, das Ende September vors Volk kommt, sorgt für Diskussionen – auch in Jägerkreisen. Während Nina Gansner (41) für die Gesetzesrevision plädiert, kämpft Hans Schmid (64) dagegen. Wir haben die beiden zum Gespräch getroffen.

Was würde sich für Sie als Jägerin und Jäger ändern mit der Gesetzesrevision?
Hans Schmid:
Jagdlich praktisch nichts. Eigentlich geht es ja vor allem um den Wolf. Die anderen Änderungen sind eher nebensächliche Verbesserungen.
Nina Gansner: Falls die Revision abgelehnt wird, befürchte ich, dass die Diskussionen um die Jagd erst richtig losgehen.
Schmid: In der jetzigen Revision bleibt die Jagd auf den Feldhasen, das Birkhuhn und Co. weiterhin erlaubt, ebenso wie die Fuchsbau-Jagd – obwohl Tierschützer das stark kritisieren. Wird die Revi­sion nicht angenommen, könnte das tatsächlich zu neuen Debatten über die Jagd führen. Wir haben jedoch wildbiologisch gute Argumente für die Jagd.

Wie werden Sie abstimmen?
Gansner:
Ich lege ein klares Ja in die Urne. Der Zeitpunkt ist reif, dass man das 34 Jahre alte Jagdgesetz an die heutige Situation anpasst. Wir haben heute beispielsweise mehr Hirsche, und die Grossraubtiere sind zurück. Das bringt Herausforderungen mit sich. Wir brauchen klare Regeln, um diesen zu begegnen.
Schmid: Dass es eine Revi­sion des Jagdgesetzes braucht, bestreitet niemand. Trotzdem bin ich gegen diese Vorlage. Mir geht es um den Artikel 7a. Er ermöglicht den Abschuss von Wölfen, auch wenn diese noch gar nichts getan haben. Da hat das Parlament das Augenmass verloren. Ich finde auch, dass man die Bestimmungen für einen Wolfsabschuss lockern muss, damit man eingreifen kann, bevor der Schaden erheblich ist. Aber die jetzige Vor­lage ist zu extrem.
Gansner: Ich komme aus einem Bergdorf, in dem wir auch von Landwirtschaft und Tourismus leben. Da geht es um Existenzen, die durch den Wolf gefährdet sind. Das schürt Ängste. Wenn die Leute in den Bergregionen die Sicherheit hätten, dass der Kanton rasch in die Wolfspopulation eingreifen kann, wenn es nötig ist, dann bedeutet dies auch mehr Akzeptanz für den Wolf in der Bevölkerung. Darum sehe ich die Revision als Chance auch für den Schutz des Wolfs. Gehen wir hingegen nicht auf die Anliegen der Bevölkerung ein, laufen wir Gefahr, dass diese Konfliktsituationen durch die Betroffenen selbst entschärft werden – auf die unschöne Art.

Einzelne Wölfe können ja heute schon abgeschossen werden, wenn sie Schäden anrichten. Warum reicht das nicht?
Gansner:
Es muss zu viel passieren, und es geht zu lang. Das führt dazu, dass sich die Leute nicht ernst genommen fühlen. Aber jetzt rede ich eher als Gemeindepräsidentin für die Bauern.
Schmid: Die in den vergangenen Jahren vom Bund bewilligten Wolfsabschüsse zeigen, dass die Regulation mit dem bestehenden Jagdgesetz bereits effizient ist. Die Abschüsse werden jedoch von der Wildhut und nicht von uns Jägern vorgenommen. Gegen die Wahrnehmung, dass Jäger Wölfe schiessen wollen, müssen wir kämpfen. Mir ist auch wichtig zu zeigen: Es gibt Jäger, die nicht nur die nachhaltige Jagd, sondern auch den Artenschutz hochhalten. Denn der Wolf hat wichtige Funktionen.

Welche?
Schmid:
Er sorgt dafür, dass sich das Hirschwild besser verteilt. Dadurch gibt es weniger Wildschäden. Und dann sind wir Jäger in Graubünden auch am Limit, was die Regulation anderer Wildtiere angeht. Da können wir Hilfe von den Wölfen gebrauchen.
Gansner: Der Wolf bringt gerade in der Landwirtschaft und im Tourismus mehr Konflikte mit sich, als er uns nützt. Und er ist auch kein Allerweltsheilmittel für Wild­schäden im Wald.
Schmid: Die aufkommenden Konflikte sind eine Tatsache. Wir müssen lernen, mit diesen umzugehen. Am Calanda wurde ein wirk­samer Herdenschutz aufgebaut, und der positive Effekt der Wölfe auf die Verteilung der Hirsche ist bereits sichtbar. Der Wolf ist ein wichtiger Faktor für ein ausgeglicheneres Öko­system.
Gansner: Ich habe persönlich auch keine Probleme mit dem Wolf, er ist ein faszinierendes Tier. Aber wir müssen einen Umgang mit ihm finden, mit dem alle zurechtkommen. Ich habe das Vertrauen, dass die Kantone, wenn man ihnen die Kompetenz gibt, die richtigen Entscheide treffen werden, auch weil sie die Situation vor Ort am besten beurteilen können.
Schmid: Wären alle Kantone fachlich so gut auf­gestellt wie Graubünden mit dem Amt für Jagd und Fischerei, dem ich voll und ganz vertraue, hätte ich auch keine Bedenken. Aber dass es im Wallis eine Initiative «Raubtierfreier Kanton» gibt, die gar von der Regierung unterstützt wird, macht mich sehr unsicher.
Gansner:Aber die Gesetzesrevi­sion wäre ja kein Freipass für die Kantone.
Schmid: Überlegt man, was in der Vergangenheit im Wallis gelaufen ist, wo auch schon Luchse und Wölfe gewildert wurden und es danach zu keiner Verzeigung kam, bin ich mir da nicht so sicher.

Wie siegessicher sind Sie, was die Abstimmung angeht?
Gansner:
Es ist wie vor der Jagd: Man ist guten Mutes und startet positiv in die Jagd.
Schmid: Und man rechnet mit allem ...

Das neue Jagdgesetz

Am 27. September kommt das neue Jagdgesetz vors Volk. Dieses will vor allem eines: den Schutz des Wolfs lockern. Neu soll das Raubtier auch dann geschossen werden dürfen, wenn es noch keinen – und nicht wie bisher einen erheblichen – Schaden angerichtet hat. Und: Entscheiden über Leben und Tod soll neu nicht mehr der Bund, sondern die Kantone. Damit wird auf die wachsende Anzahl Wolfsrudel in der Schweiz reagiert und die damit verbundenen Konflikte, insbesondere in der Schafhaltung.

Am 27. September kommt das neue Jagdgesetz vors Volk. Dieses will vor allem eines: den Schutz des Wolfs lockern. Neu soll das Raubtier auch dann geschossen werden dürfen, wenn es noch keinen – und nicht wie bisher einen erheblichen – Schaden angerichtet hat. Und: Entscheiden über Leben und Tod soll neu nicht mehr der Bund, sondern die Kantone. Damit wird auf die wachsende Anzahl Wolfsrudel in der Schweiz reagiert und die damit verbundenen Konflikte, insbesondere in der Schafhaltung.

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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